Milica Tomić: "One Day Instead Of Night, The Machinegun Will Burst If The Light Can Not Come Otherwise"
Wien - Als Mitglied der Grupa Spomenik befasst sich Milica Tomić seit mehreren Jahren mit der Frage, wie das diskursive Wissen um den Genozid in Srebrenica in ein Medium der performativen Kunst übersetzt werden kann. In der Ausstellung Safety on the Road in der Galerie Charim präsentiert sie ihre ernüchternden Ansätze.
In Bezug auf die Erinnerung und Aufarbeitung von Völkermord wird das Problem ihrer bildlichen Darstellung schon lange diskutiert. Zwar lassen sich mit Bildern die Affekte leicht ansprechen, Emotionen kurzfristig aufrütteln, nachhaltiges analytisches Aufarbeiten bleibt jedoch oft aus. Aus diesem Grund enthält auch die Ausstellung keine bildlichen Repräsentationen des Genozids, sondern mehrere große Schrifttafeln. Diese erinnern formal an Zeitungsberichte und halten die Diskussionen, Fragen und Ansätze der Grupa Spomenik (übersetzt: Monument Gruppe) fest.
Die Künstlergruppe geht davon aus, dass der Völkermord eigentlich der Topos von Kunst sein sollte und auch Kunstinstitutionen, die diese Ideologien fortbestehen lassen, infrage gestellt werden müssen. Auf dieser Basis untersucht die Grupa Spomenik seit 2008 die "ideologischen Operationen" , die mit dem Genozid in Srebrenica in Zusammenhang stehen. Bei diesen zu analysierenden Operationen handelt es sich um zeitgenössische Forensikmethoden, aber auch um die Bürokratisierung des Genozidtraumas durch die Verwaltung oder um die religiösen Rituale, die die Begräbnisse der sterblichen Überreste der in Srebrenica Ermordeten begleiten.
Den Hauptraum der Galerie hat die Gruppe als Lecture-Room gestaltet. In den dort aufliegenden Heften können unter anderem ihre Interviews mit Forensikern nachgelesen werden. Bei der Identifizierung der Leichenteile steht für die Forensiker die Ethnie der Opfer im Vordergrund. Dadurch wird laut der Grupa Spomenik im Grunde genau jener Diskurs wiederholt, der zum Massaker, also zur Ermordung von Tausenden von Menschen geführt hat.
Als Besucher ist man herausgefordert, sich in die spannenden Überlegungen zur Vermittlungsmethodik einzulesen. Denn die Künstlergruppe versucht, das Wissen um den Genozid aufzuarbeiten, ohne das Thema durch Rhetoriken der Betroffenheit oder Versöhnung zu verzerren.
Die üblicherweise in Stein gehauenen Ideen für Monumente werden von Tomić in einem Video noch einmal performativ und subversiv vorgeführt: Mit einem Armeegewehr in der Hand läuft Tomić jene Orte ab, die für den antifaschistischen Widerstand in Belgrad von Bedeutung waren. Der Künstlerin geht es um den Versuch, ein "prozessuales" Monument zu kreieren, aber auch um das fragile Verhältnis zwischen Legalität und Legitimität - und, damit zusammenhängend, um das Verhältnis der ideologisch stark determinierten Begriffe Terrorismus und Freiheitskampf. (Christa Benzer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.6.2010)
Bis 3. 7., Galerie Charim, Dorotheergasse 12/1, 1010 Wien
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