Eigentlich
kommt Moussa Kone von der Malerei. Vier Jahre lang hat er in der
Frohner-Klasse an der Angewandten „machistisch-expressiv“ malen
gelernt: „Das war der Trend in der Klasse“, sagt er. Seinen Namen in
der Szene hat sich der 31-Jährige allerdings ganz anders erarbeitet:
Mit meist mehrteiligen großformatigen, fein konstruierten Zeichnungen,
die ihre Fortsetzung fallweise im Raum finden in Form von
Installationen, die ihrerseits die Ausgangszeichnung zitieren. „Ich
habe den großen fetten Pinsel eingetauscht gegen das Kleinste, was es
gibt: eine 0,25 mm dünne Feder, die es mir erlaubt, diese fein
konstruierten Zeichnungen anzufertigen“, resümiert er.
Schwarz
und Weiß sind nun die beiden Hauptfarben seiner Arbeit. Sie entsprechen
Moussa Kones Ausgangsmaterialien: echter, pigmentierter Tusche und
Papier im Normformat 50 mal 70 Zentimeter. Schwarz-Weiß-Malerei
betreibt er trotzdem keine. Eher schon hat seine Arbeit mit der
Schriftstellerei zu tun, nur eben im größeren Maßstab. „Als ich zu
zeichnen begonnen habe, war es mir auch sehr wichtig, dass es dem
Schreiben nahekommt“, sagt er. Dann aber mischt sich wohldosiert
aufgetragene Aquarellfarbe darunter, die den Schwarz-Weiß-Dualismus
sprengt und das Augenmerk des Betrachters zurück zum Bild führt und auf
Details lenkt – etwa auf eine Serie von Bällen, die zwischen den
Rüsseln zweier Zirkuselefanten hin und her wandern, einen roten Balken
in einem Dressurakt mit Pferden oder ein paar Seile, die von einem Baum
hängen. Ornamenthaftigkeit und Symmetrie spielen dabei eine zentrale
Rolle. Sie geben den Bildern kompositorischen Halt, während die darin
erzählten Geschichten stets an der Kippe stehen, Unvorhergesehenes
hereinholen und Ordnungen subversiv sprengen.
Unvollendetes.
Dazu passt auch, dass immer wieder einzelne Blätter unvollendet
scheinen. „Mein Zeichnen ist wie ein nicht geschlossenes System. Manche
Zeichnung wäre allzu schön, würde ich sie vollenden. Aber um die
Zeichnung im Kopf fertigzudenken, braucht es oft gar nicht mehr. Und
das Ornamentale ergibt sich ohnehin automatisch, weil die Zeichnungen
so fein ausgeführt sind“, sagt er.
Eine Leerstelle gibt es
allerdings, die konsequent mit Sinn besetzt ist: Das ist die Figur im
Allgemeinen – meist menschliche Körper, manchmal auch Tiere, die im
Unterschied zu den oft dicht schraffierten Kulissen stets möglichst
reduziert gezeichnet sind –, und das Gesicht im Besonderen: Das
menschliche Gesicht ist in allen Zeichnungen Moussa Kones konsequent
ausgespart. Es zeichnet sich weder durch Mimik noch durch Gesichtszüge
aus. Und genau hier, bei der Figur, beginnt im Grunde die
Inhaltlichkeit dieses auf den ersten Blick so nah am Ornament und der
Erzählung angesiedelten Œuvres. Hier ist auch ihr kritisches Potenzial
angesiedelt. Denn im Kern ist Moussa Kones Arbeit zutiefst engagiert
und an gesellschaftlichen Zusammenhängen interessiert – auch wenn sie
sich mit ihrem Hang zum Ornamentalen, statt mit dem Holzhammer
daherzukommen, lieber dem Missverständnis der Schönheit aussetzt.
Gesichtslosigkeit als Spiegel. „Meine
Figuren haben alle keine Gesichter, weil sie keine Individuen
darstellen. Die Gesichtslosigkeit ist wie ein Spiegel, ein Platzhalter
für die Maske des Gesichts. Damit werden die Figuren zu Stellvertretern
für Zusammenhänge, die über die Story des Einzelnen hinausgehen.“ Aufs
Ganze bezogen kann so eine rhythmisierte Ansammlung gesichtsloser
Köpfe von der Hand des Zeichners am Ende durchaus schon einmal im
buchstäblich sinnentleerten Fliesenmuster einer Wand verdoppelt werden.
Damit
scheinen sich Zusammenhänge gleichzeitig zu relativieren wie auch zu
konkretisieren – ein Widerspruch, den Kone stets mit auf die Rechnung
genommen hat. Das gilt auch für seine grenzüberschreitenden Projekte im
Kollektiv – etwa die Zusammenarbeit mit dem Verein Kunstwerft, bei der
verschiedene Aspekte des Kunstsystems unter die Lupe genommen werden.
Reuige Kunstdiebe – hierher!
Unerwartete Bekanntheit erlangte die von Kone 2004 zusammen mit dem
Schriftsteller Erwin Uhrmann gegründete Gruppe schon früh mit dem
Projekt „Kunstklappe“. Basierend auf dem Prinzip tätiger Reue
ermöglichte diese von ihnen initiierte, mittlerweile wieder
geschlossene Einrichtung Kunsträubern die anonyme Wiedergabe
gestohlener Objekte. Erst dieser Tage wurden Kone und Uhrmann
anlässlich der Rückgabe zweier vor 36 Jahren aus der Pfarrkirche von
Gresten entwendeten Barockengel vom Sicherheitsdirektor des Landes
Niederösterreich geehrt.
Respekt in der Kunstszene
verschaffte sich „Kunstwerft“ auch mit ihrem jüngsten Baby, dem in
Zusammenarbeit mit der Basis Wien von einer Kritikerjury verliehenen
„Art Critics Award“: Entstanden aus einem Kunstprojekt und der
theoretischen Beschäftigung mit der eigenen Arbeit ist der aus
Medienbeobachtung entstandene Preis mittlerweile zu einer begehrten
Auszeichnung in der über Kunst schreibenden Zunft geworden. „Der Preis
funktioniert nur, weil eine Institution dahintersteckt“, ist sich
Moussa Kone bewusst. Ob er damit nicht einen Seitensprung heraus aus
dem Feld der Kunst getan hat? Nein, sagt er. Denn auch der Bereich des
Schreibens über die Kunst ist ein Raum, den es für einen Künstler wie
ihn zu untersuchen gilt. Kunst im öffentlichen Raum sozusagen.