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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
07. Juli 2005
16:56 MESZ
Von Anne Katrin Feßler

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secession.at

Bis 4. 9.  
Foto: Secession/Sullivan
Catherine Sullivan interessiert die Kodierung von Ausdrucksformen: "The Chittendens" (2005).

Lose verknüpfte Räume des Übergangs
Terence Koh, Michael Krebber und Catherine Sullivan in der Wiener Secession

Anhand dreier Einzelpräsentationen stellt sich die Frage, inwieweit Zusammenhänge ursprünglich intendiert waren, oder vom Betrachter im Nachhinein konstruiert werden.


Wien - Es geht nicht anders. Wir tun es ständig und unaufhörlich. Schwäche oder Stärke - der Mensch verknüpft: Egal was gerade gesehen, gehört, gefühlt wird, fast nahtlos wird daran der nächste Eindruck gekettet. In völliger Eigenregie reißt die kleine Denkfabrik im Kopf ständig und fast zwanghaft neue und alte Laden auf, locht, legt ab, beschlagwortet, sortiert, auch wenn drei Ausstellungen völlig autonom nebeneinander stehen. - Die Summe der einzelnen Teile - eine Unerträglichkeit?

Das Grafische Kabinett der Secession ist in milchig-weißes Dämmerlicht getaucht. Nur ein zehn Zentimeter weites Bohrloch lässt Licht einfallen. Terence Koh hat jedes Objekt mit einer weißen Schicht aus Farbe, Gips oder Fell überzogen: Traumwelt, Rückzugsort, Raum des Übergangs. Mit den Zeilen "gone, yet still/ i lie in bed watching the stars" verweist der in den USA und Indonesien arbeitende Koh auf eine Art "Jisei", ein traditionelles japanisches Abschiedsgedicht der Samurai oder Zen-Mönche.

Der Besucher taucht in die Intimität dieses mit Bett, Stuhl, Regal möblierten Ortes ein, in eine asketische Passage Richtung Tod. Der Kargheit gegenüber, eine Fülle von wie mit Zuckerguss überzogenen Devotionalien, die in mehr als 100 Aquarien Wache stehen: der niedliche E.T., neben japanischen Kämpfern, einander küssenden Karel Wojtyla-Büsten und Plastikhäschen.

Die ursprünglich asexuellen Objekte mutieren durch aufgeklebte Phalli und ihr Arrangement in Penetrationsakten zu aggressiv sexualisierten Fetischwesen - die Verlockungen des von Zwängen befreiten Lebens auf der einen, die von Einsamkeit und Tod auf der anderen Seite. Beides vereint in einem uneindeutigen Raum der Ruhe, so bedrohlich wie besänftigend.

Stille und Leere, in der ein Husten fast wie ein Echo zurückgeworfen wird, bestimmt den Hauptraum. Ist die Passage, die Koh illustriert hat, bereits durchschritten? Wo sind wir? Dort wo das "Ende der Malerei" prinzipiell negiert wird.

Michael Krebber, Vertreter einer seit den 1980er-Jahren konzeptionell orientierten Malerei der Kölner Szene, hatte zunächst nur acht Holzrahmen für die Wiener Ausstellung bestellt. Was er darin zeigen würde, war bis vor Kurzem nicht klar: "Was also auch zu sehen sein wird, es geht um diese repräsentative Form, um das Bild als konstitutives Medium des Kunstbetriebs, an der er trotz der wiederholten ,Sprengung' durch die Avantgarde klebt", heißt es im Katalog. Nun füllen Schwarz-Weiß-Kopien aus Krebbers Archiv, geknickte und geknitterte Abbildungen von Planeten, der Akropolis, eines Falters und eines Frauenkopfs, die Flächen hinter dem Glas.

Wie Platzhalter für noch in Depots schlummernde Meisterwerke wirken sie und werfen Fragen nach den Verhältnisformen von Zeichen zueinander auf: "Wie etwa Figur und Grund, Form und Format, Fläche und Raum, Rahmen und Wand, Gemachtes und Gefundenes aufeinander bezogen werden können."

Auch bei Catherine Sullivans Filminstallation The Chittendens kann das Geschaute nicht eindeutigen Bedeutungskategorien zugeordnet werden. Aus dem Theaterfach in die bildende Kunst gewechselt, nutzt die Amerikanerin Requisiten und Versatzstücke aus Film und Bühne nach wie vor, um Zwänge und Paradoxien theatralischer Repräsentation zu hinterfragen.

16 Schauspieler experimentierten mit ihnen zugeordneten Posen und Themen, die danach mit einem strengen numerischen Muster und in verschiedenen Tempi auf eine Komposition von Sean Griffin übertragen wurden. In historischen Kostümen und in den mystischen Szenerien eines Leuchtturms sowie eines leerstehenden Bürogebäudes vollziehen die Akteure einen fremdgesteuerten Tanz. In ihrem wilden Stakkato wirken Mimik und Gestik abstrakt und isoliert. Der Wunsch des Betrachters, die Dinge zu einer Erzählung zu verknüpfen, wird verweigert. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.7.2005)


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