Angst vor weiblicher Kunst

Patrizia Jilg über eine Werkschau der Kokoschka-
Preisträgerin Valie Export.


Die Trademark Valie Export steht für radikale Fragestellungen zu gesellschaftlichen und sozialen Themen. Eine Werkschau in der Innsbrucker Taxisgalerie zeigt ihre künstlerische Bandbreite des multimedialen Schaffens. Export begann ihre künstlerische Arbeit Mitte der 50er Jahre. Seit 1967 gibt es den Namen Valie Export, der in Großlettern geschrieben, künstlerisches Konzept und Logo zugleich ist. Schon 1968 nimmt Export an internationalen Kunstausstellungen teil, sie ist in den wichtigsten Museen und Sammlungen vertreten und gilt heute zu Recht als eine der Mitbegründerinnen der Medienkunst. Ein internationaler Stellenwert, dem die Präsenz der Künstlerin im Heimatland immer hinterherhinkte. War Angst vor ihren radikalen Ansätzen einer der Gründe dafür?

Adjungierte Dislokation, 1976 / ©Bild: Hendrich
Adjungierte Dislokation, 1976 / ©Bild: Hendrich

"Es stimmt, dass man ein Angstgefühl hat, dass man ein Unbehagen hat. Ich bin nur Symbolträgerin für diese Angst und dieses Unbehagen, das man der weiblichen Kunst gegenüber hat, wenn sie progressiv ist, und das man auch einer gewissen weiblichen Autorität gegenüber hat, im Künstlerischen oder im Akademischen", meint die Künstlerin. "Ich hab ja auch hier nie eine Professur bekommen, obwohl ich seit Jahren oder Jahrzehnten in den USA Professuren hatte und schon seit Jahren in Berlin beziehungsweise jetzt in Köln eine volle, ordentliche Hochschulprofessur habe."

Nährboden Avantgarde

Exports künstlerischer Nährboden war die rebellische Avantgarde der Nachkriegszeit. Sie konnte mit dem bürgerlich-elitären Kunstbegriff nichts anfangen und wandte sich radikal gegen den Begriff der ästhetischen Kunst. So waren die traditionellen Ausdrucksmittel auch nie ein Thema für Export. Ihre Mittel zur künstlerischen Auseinandersetzung sind Film, Video, digitale Medien und ihr eigener Körper:

"Als ich Künstlerin werden wollte, war mein Ansatz, mit neuen Medien zu arbeiten. Da ich auch gemalt und gezeichnet habe, wusste ich, dass das für mich nicht die richtigen Medien sind und dass ich mich da nicht ausdrücken kann - beziehungsweise dass schon so wahnsinnig viel passiert ist, dass ich gar nicht innovativ arbeiten kann. Und ich habe gesehen, dass diese Medien ja gar nicht mehr der Zeit entsprechen, sondern dass die Repräsentationsmedien wie Fotografie, Dia oder der 8mm-Film viel attraktiver waren, meine künstlerischen Vorstellungen auszusprechen."

Cross-overs

Die Ausstellung in der Taxisgalerie zeigt Valie Exports andere Sicht der Dinge von Anfang an, das heißt sie beginnt mit dem Expanded Cinema, Exports frühestem Medium für experimentelle Arbeiten. Die so genannte "Expanded-Bewegung" veranstaltete Happenings, die multimedial waren und die "Cross-overs" liebten, also Verbindungen verschiedenster Kunstrichtungen.

Für Valie Export steht im Zentrum dieser Arbeiten "der menschliche Körper". Das habe aber nicht nur mit den Körperaktionen und Körperkonfigurationen zu tun, "sondern auch mit der konzeptuellen Fotografie, wobei einige Beispiele hier sind, die zeigen, wie das Sehen über den Apparat der Fotokamera oder der Video- und Filmkamera zu gestalten ist."

Tapp- und Tastkino, aus: Der Spiegel, April 1969
Tapp- und Tastkino, aus: Der Spiegel, April 1969

Tapp- und Tast-Kino

Berühmt berüchtigt: Das Tapp- und Tast-Kino, das im dritten Raum der Galerie zu sehen ist - eine Art von Schaukasten, den Valie Export um den Oberkörper geschnallt trug. Er hatte vorne eine mit Stoff verhängte Öffnung und Passanten waren aufgerufen, durch diese Öffnung hindurch die Künstlerin zu betasten.

Die erste Demonstration des Tapp- und Tastfilms 1968 in Wien sorgte für Tumulte und endete in einer Schlacht auf der Vorführbühne. Später wurden Exports Körperaktionen noch radikaler und setzten sich über die eigene Schmerzgrenze hinweg.

Kausalgie, 1973 / ©Bild: Hendrich
Kausalgie, 1973 / ©Bild: Hendrich

Selbst-Verletzungen

"Ich schreib' ja nicht Texte, ich schreib' ja nicht Literatur, ich arbeite mit meinem Körper", erklärt Export. "Wenn man die Verletzung, die angetan wird, auch direkt in meinem Zusammenhang als Künstlerin zeigen will, muss man auch an die Grenzen gehen, solange sie zeigbar ist. Ich hätte nie vorgehabt, so starke Verletzungen zu machen, dass man daran stirbt. Aber die Grenzen muss man natürlich sichtbar machen."

Seit fünf Jahren beschäftigt sich die Künstlerin mit einem besonders grausamen Thema: dem der Klitorisbeschneidung. An dieser Verstümmelung leiden heute 80 Millionen Frauen, ein kleiner Teil davon sogar in Europa. Das erste Mal geht Valie Export mit dieser Arbeit, die den Titel "Violation - Schnitte in die weibliche Sexualität und Psyche" trägt, aus dem eigenen Kulturkreis hinaus.

Voyeurismus vermeiden

"Ich arbeite natürlich mit meinem Kulturkreis", meint Export, "weil ich in dem leb', meine Identität drinnen hab'. Den kann ich am besten analysieren. Aber umgekehrt leben wir ja doch in einer globalen Gesellschaft, wo wir annehmen können, dass gewisse Dinge wie Beschneidung, selbst wenn sie als Ritual einer anderen Kultur zugeordnet werden, nicht mehr als Recht bestehen kann." Export will jedoch Voyeurismus vermeiden: "Es geht um Verletzungen, um reale Verletzungen. Und damit möchte ich natürlich nicht spekulativ arbeiten."

Einkreisung, 1976
Einkreisung, 1976

Im Rahmen der Ausstellung in der Taxisgalerie, die bis 5. November zu sehen ist, werden im Programmkino "Cinematograph" von 24. bis 27. Oktober Kurzfilme der Künstlerin gezeigt, in deren Anschluss mit Valie Export diskutiert werden kann.

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