Angst vor weiblicher Kunst | |
Patrizia Jilg über eine Werkschau der Kokoschka-
|
Die Trademark Valie Export steht für
radikale Fragestellungen zu gesellschaftlichen und sozialen Themen. Eine
Werkschau in der Innsbrucker Taxisgalerie zeigt ihre künstlerische Bandbreite des
multimedialen Schaffens. Export begann ihre künstlerische Arbeit Mitte der
50er Jahre. Seit 1967 gibt es den Namen Valie Export, der in Großlettern
geschrieben, künstlerisches Konzept und Logo zugleich ist. Schon 1968
nimmt Export an internationalen Kunstausstellungen teil, sie ist in den
wichtigsten Museen und Sammlungen vertreten und gilt heute zu Recht als
eine der Mitbegründerinnen der Medienkunst. Ein internationaler
Stellenwert, dem die Präsenz der Künstlerin im Heimatland immer
hinterherhinkte. War Angst vor ihren radikalen Ansätzen einer der Gründe
dafür?
"Es stimmt, dass man ein Angstgefühl hat, dass man ein Unbehagen hat.
Ich bin nur Symbolträgerin für diese Angst und dieses Unbehagen, das man
der weiblichen Kunst gegenüber hat, wenn sie progressiv ist, und das man
auch einer gewissen weiblichen Autorität gegenüber hat, im Künstlerischen
oder im Akademischen", meint die Künstlerin. "Ich hab ja auch hier nie
eine Professur bekommen, obwohl ich seit Jahren oder Jahrzehnten in den
USA Professuren hatte und schon seit Jahren in Berlin beziehungsweise
jetzt in Köln eine volle, ordentliche Hochschulprofessur habe." Nährboden Avantgarde Exports künstlerischer Nährboden war die rebellische Avantgarde der
Nachkriegszeit. Sie konnte mit dem bürgerlich-elitären Kunstbegriff nichts
anfangen und wandte sich radikal gegen den Begriff der ästhetischen Kunst.
So waren die traditionellen Ausdrucksmittel auch nie ein Thema für Export.
Ihre Mittel zur künstlerischen Auseinandersetzung sind Film, Video,
digitale Medien und ihr eigener Körper: "Als ich Künstlerin werden wollte, war mein Ansatz, mit neuen Medien zu
arbeiten. Da ich auch gemalt und gezeichnet habe, wusste ich, dass das für
mich nicht die richtigen Medien sind und dass ich mich da nicht ausdrücken
kann - beziehungsweise dass schon so wahnsinnig viel passiert ist, dass
ich gar nicht innovativ arbeiten kann. Und ich habe gesehen, dass diese
Medien ja gar nicht mehr der Zeit entsprechen, sondern dass die
Repräsentationsmedien wie Fotografie, Dia oder der 8mm-Film viel
attraktiver waren, meine künstlerischen Vorstellungen auszusprechen." Cross-overs Die Ausstellung in der Taxisgalerie zeigt Valie Exports andere Sicht
der Dinge von Anfang an, das heißt sie beginnt mit dem Expanded Cinema,
Exports frühestem Medium für experimentelle Arbeiten. Die so genannte
"Expanded-Bewegung" veranstaltete Happenings, die multimedial waren und
die "Cross-overs" liebten, also Verbindungen verschiedenster
Kunstrichtungen. Für Valie Export steht im Zentrum dieser Arbeiten "der menschliche
Körper". Das habe aber nicht nur mit den Körperaktionen und
Körperkonfigurationen zu tun, "sondern auch mit der konzeptuellen
Fotografie, wobei einige Beispiele hier sind, die zeigen, wie das Sehen
über den Apparat der Fotokamera oder der Video- und Filmkamera zu
gestalten ist."
Tapp- und Tast-Kino Berühmt berüchtigt: Das Tapp- und Tast-Kino, das im dritten Raum der
Galerie zu sehen ist - eine Art von Schaukasten, den Valie Export um den
Oberkörper geschnallt trug. Er hatte vorne eine mit Stoff verhängte
Öffnung und Passanten waren aufgerufen, durch diese Öffnung hindurch die
Künstlerin zu betasten. Die erste Demonstration des Tapp- und Tastfilms 1968 in Wien sorgte für
Tumulte und endete in einer Schlacht auf der Vorführbühne. Später wurden
Exports Körperaktionen noch radikaler und setzten sich über die eigene
Schmerzgrenze hinweg.
Selbst-Verletzungen "Ich schreib' ja nicht Texte, ich schreib' ja nicht Literatur, ich
arbeite mit meinem Körper", erklärt Export. "Wenn man die Verletzung, die
angetan wird, auch direkt in meinem Zusammenhang als Künstlerin zeigen
will, muss man auch an die Grenzen gehen, solange sie zeigbar ist. Ich
hätte nie vorgehabt, so starke Verletzungen zu machen, dass man daran
stirbt. Aber die Grenzen muss man natürlich sichtbar machen." Seit fünf Jahren beschäftigt sich die Künstlerin mit einem besonders
grausamen Thema: dem der Klitorisbeschneidung. An dieser Verstümmelung
leiden heute 80 Millionen Frauen, ein kleiner Teil davon sogar in Europa.
Das erste Mal geht Valie Export mit dieser Arbeit, die den Titel
"Violation - Schnitte in die weibliche Sexualität und Psyche" trägt, aus
dem eigenen Kulturkreis hinaus. Voyeurismus vermeiden "Ich arbeite natürlich mit meinem Kulturkreis", meint Export, "weil ich
in dem leb', meine Identität drinnen hab'. Den kann ich am besten
analysieren. Aber umgekehrt leben wir ja doch in einer globalen
Gesellschaft, wo wir annehmen können, dass gewisse Dinge wie Beschneidung,
selbst wenn sie als Ritual einer anderen Kultur zugeordnet werden, nicht
mehr als Recht bestehen kann." Export will jedoch Voyeurismus vermeiden:
"Es geht um Verletzungen, um reale Verletzungen. Und damit möchte ich
natürlich nicht spekulativ arbeiten."
Im Rahmen der Ausstellung in der Taxisgalerie, die bis 5. November zu
sehen ist, werden im Programmkino "Cinematograph" von 24. bis 27. Oktober
Kurzfilme der Künstlerin gezeigt, in deren Anschluss mit Valie Export
diskutiert werden kann. | ||||||||||
![]() |