VN Mi, 22.10.2003

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Kultur 

MEINUNG

Ein stetes Ärgernis

VON WALTER FINK

Niemand wird ernsthaft behaupten, daß eine Straße, gar eine Autobahn dazu da ist, um irgendwelchen künstlerischen Kriterien zu entsprechen. Denn wenn schon das Auto an sich, wie der Kabarettist Werner Schneyder meint, ein Delikt ist, dann kann das Hilfsmittel, das zu seiner Fortbewegung inzwischen immer mehr Grund und Boden verschlingt, wohl auch nicht an seiner Schönheit gemessen werden. Zumindest meist nicht, denn manche Straßen sind immerhin fast schon technische Kunstwerke. Bei den Autobahnen gibt es nicht einmal die Ausnahmen. Das allein ist schon nicht gerade erfreulich, kann aber nicht als Erklärung dafür verwendet werden, daß das Umfeld dieser Betonbänder in unserer Landschaft auch immer übler wird. Immerhin bezahlen wir ja ganz ordentlich Maut dafür, daß wir auf diesen Straßen fahren dürfen. Eine Maut, die vor kurzer Zeit verdoppelt wurde, nun noch einmal um fünfzig Prozent angehoben werden soll, womit wir dann schon beim Dreifachen jenes Betrages sind, den wir noch vor drei Jahren bezahlt haben. Und beim Vierfachen jener Summe, die man in Schweiz noch heute bezahlt. Einmal ganz abgesehen von Deutschland, wo das Rasen über die Autobahn nach wie vor ohne jeden finanziellen Beitrag möglich ist. Unter solchen Voraussetzungen darf man die Betreibergesellschaft doch auch darauf aufmerksam machen, daß wir Augen im Kopf haben, die neben der Straße auch anderes sehen.

Derzeit sehen wir vor allem neue Stahlgebilde, so etwas wie Skelette, die sich alle paar Kilometer wieder neu aus der Landschaft über die Fahrspuren erheben. Von möglicherweise technischer, in jedem Fall aber unsäglicher Gestalt. Die sollen offenbar dazu dienen, in Kürze den Brummis zusätzliche Maut abzuverlagen, in absehbarer Zeit werden sie wohl auch für den normalen Autofahrer mit zuständig sein. Unverständlich ist, warum man so abenteuerlich häßliche Geräte braucht, um die gefahrenen Kilometer eines Lkw zu messen. Wir leben in einer Zeit, in der - wenn man Geschichten über Geheimdienste liest - einzelne Menschen schon von Satelliten aus überwacht werden, in der Fotos aus dem Weltraum gestochen scharfe Bilder von kleinsten Objekten liefern, in der Computer unfaßbare, durchaus auch erschreckende Leistungen in Sachen Beobachtung erbringen. Da sollte es doch möglich sein, eine andere technische Form dieser Messungen zu finden, eine, bei der man zumindest das Ding nicht sieht, das so zum steten Ärgernis auf der Fahrt wird.

Schon älteren Datums, aber nach wie vor penetrant sind die sogenannten kulturellen Hinweisschilder an der Autobahn, jene häßlich-braunen Flecken, auf denen darauf aufmerksam gemacht wird, daß man bei der nächsten Ausfahrt etwa zur Schattenburg in Feldkirch, zur Basilika in Rankweil, zum Roten Haus in Dornbirn oder zum Martinsturm in Bregenz abbiegen könnte. Man will damit offenbar den Reisenden zeigen, daß es sich lohnen würde, hier Rast zu machen und etwas Kultur zwischen die Kilometer zu legen. Ich habe versucht, diesen Hinweisen von der Autobahn weg zu folgen. Verloren steht man nach der Abfahrt am Rande von Feldkirch, Rankweil, Dornbirn oder Bregenz, sucht weitere Tafeln, die zum angepriesenen historischen, kulturell besonders wertvollen Objekt führen sollen - und sucht vergeblich. Da ist nämlich nichts mehr. Nicht ein klitzekleines Schildchen, das den weiteren Weg zeigen würde. Bestenfalls kann man irgendwelche Passanten fragen, wo denn diese Prachtstücke, auf die auf der Autobahn so großartig hingewiesen wurde, stehen. Und selbst da muß man Glück haben, wenn man vernünftige Auskunft bekommt. Man glaubt es kaum - aber ich habe es ausprobiert. So wird wohl den meisten von den wenigen, die sich überhaupt für so etwas interessieren, die Lust vergehen. Und sie werden wieder auf die Autobahn fahren. Bis zu den nächsten kulturellen Tafeln, die damit zum weiteren steten Ärgernis auf der Fahrt werden.

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Die Meinung des Gastkommentators muss nicht mit jener der Redaktion übereinstimmen. Auf Wunsch des Autors erscheint sie in der alten Rechtschreibung.




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