VON WALTER FINK
Niemand wird ernsthaft behaupten, daß eine Straße, gar eine
Autobahn dazu da ist, um irgendwelchen künstlerischen Kriterien zu
entsprechen. Denn wenn schon das Auto an sich, wie der Kabarettist
Werner Schneyder meint, ein Delikt ist, dann kann das Hilfsmittel,
das zu seiner Fortbewegung inzwischen immer mehr Grund und Boden
verschlingt, wohl auch nicht an seiner Schönheit gemessen werden.
Zumindest meist nicht, denn manche Straßen sind immerhin fast schon
technische Kunstwerke. Bei den Autobahnen gibt es nicht einmal die
Ausnahmen. Das allein ist schon nicht gerade erfreulich, kann aber
nicht als Erklärung dafür verwendet werden, daß das Umfeld dieser
Betonbänder in unserer Landschaft auch immer übler wird. Immerhin
bezahlen wir ja ganz ordentlich Maut dafür, daß wir auf diesen
Straßen fahren dürfen. Eine Maut, die vor kurzer Zeit verdoppelt
wurde, nun noch einmal um fünfzig Prozent angehoben werden soll,
womit wir dann schon beim Dreifachen jenes Betrages sind, den wir
noch vor drei Jahren bezahlt haben. Und beim Vierfachen jener Summe,
die man in Schweiz noch heute bezahlt. Einmal ganz abgesehen von
Deutschland, wo das Rasen über die Autobahn nach wie vor ohne jeden
finanziellen Beitrag möglich ist. Unter solchen Voraussetzungen darf
man die Betreibergesellschaft doch auch darauf aufmerksam machen,
daß wir Augen im Kopf haben, die neben der Straße auch anderes
sehen.
Derzeit sehen wir vor allem neue Stahlgebilde, so etwas wie
Skelette, die sich alle paar Kilometer wieder neu aus der Landschaft
über die Fahrspuren erheben. Von möglicherweise technischer, in
jedem Fall aber unsäglicher Gestalt. Die sollen offenbar dazu
dienen, in Kürze den Brummis zusätzliche Maut abzuverlagen, in
absehbarer Zeit werden sie wohl auch für den normalen Autofahrer mit
zuständig sein. Unverständlich ist, warum man so abenteuerlich
häßliche Geräte braucht, um die gefahrenen Kilometer eines Lkw zu
messen. Wir leben in einer Zeit, in der - wenn man Geschichten über
Geheimdienste liest - einzelne Menschen schon von Satelliten aus
überwacht werden, in der Fotos aus dem Weltraum gestochen scharfe
Bilder von kleinsten Objekten liefern, in der Computer unfaßbare,
durchaus auch erschreckende Leistungen in Sachen Beobachtung
erbringen. Da sollte es doch möglich sein, eine andere technische
Form dieser Messungen zu finden, eine, bei der man zumindest das
Ding nicht sieht, das so zum steten Ärgernis auf der Fahrt wird.
Schon älteren Datums, aber nach wie vor penetrant sind die
sogenannten kulturellen Hinweisschilder an der Autobahn, jene
häßlich-braunen Flecken, auf denen darauf aufmerksam gemacht wird,
daß man bei der nächsten Ausfahrt etwa zur Schattenburg in
Feldkirch, zur Basilika in Rankweil, zum Roten Haus in Dornbirn oder
zum Martinsturm in Bregenz abbiegen könnte. Man will damit offenbar
den Reisenden zeigen, daß es sich lohnen würde, hier Rast zu machen
und etwas Kultur zwischen die Kilometer zu legen. Ich habe versucht,
diesen Hinweisen von der Autobahn weg zu folgen. Verloren steht man
nach der Abfahrt am Rande von Feldkirch, Rankweil, Dornbirn oder
Bregenz, sucht weitere Tafeln, die zum angepriesenen historischen,
kulturell besonders wertvollen Objekt führen sollen - und sucht
vergeblich. Da ist nämlich nichts mehr. Nicht ein klitzekleines
Schildchen, das den weiteren Weg zeigen würde. Bestenfalls kann man
irgendwelche Passanten fragen, wo denn diese Prachtstücke, auf die
auf der Autobahn so großartig hingewiesen wurde, stehen. Und selbst
da muß man Glück haben, wenn man vernünftige Auskunft bekommt. Man
glaubt es kaum - aber ich habe es ausprobiert. So wird wohl den
meisten von den wenigen, die sich überhaupt für so etwas
interessieren, die Lust vergehen. Und sie werden wieder auf die
Autobahn fahren. Bis zu den nächsten kulturellen Tafeln, die damit
zum weiteren steten Ärgernis auf der Fahrt werden.
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Die Meinung des Gastkommentators muss nicht mit jener der
Redaktion übereinstimmen. Auf Wunsch des Autors erscheint sie in der
alten Rechtschreibung.