Wien/Krems - "Weihnachten ist ein sehr, sehr trauriges Fest," steht in sperrigen Lettern an den Wänden des Jesuitenfoyers. Dass dieser Satz nicht sofort Frösteln macht, dafür sorgen die darunter lehnenden Figuren: Übermenschlich große und seltsam bekannt vorkommende Comicfiguren, die ihre Verbindung zu den Disney-Welten allerdings längst gekappt haben: Flippig gekleidet oder auch nackt, wie sie der Zeichner nicht schuf, bauen sie sich vor dem Betrachter auf.
Siggi Hofer zieht die Typen aus, um ihnen auf den Grund zu gehen: "Haben sie tatsächlich einen Körper und Geschlechtsteile, oder sind sie womöglich nur ein Haufen Kleider?" Der Künstler verrät, die schrille Figur im kanarigelben Anzug, mit feschem Kinnbart und verspiegelten Augengläsern ist Gott; vermutlich verhökert dieser große Blonde die brüchigen alpinen Heuschober zu seinen Füßen, die den Heilsbotschaft der Ausstellung verkünden: Gott ist aus Gold.
Schon als Bub malte der 1970 in Bruneck in Südtirol geborene Künstler Comicfiguren ab; nun griff er diese Zeichnungen wieder auf, stellt sie aber in neue Kontexte: das ihm Vertraute benutzt Hofer häufig, um Altbekanntes zu überprüfen und sich in neues Terrain, in neue Realitäten und Denkmodelle vorzuwagen. Auch das Geländer, das Hofers Elternhaus umfasste, diente lange Zeit als Größenrelation und tauchte als vertraute Dimension 2007 in der Galerie Meyer Kainer wieder auf.
In diesem Sinne sind die immer wieder vorkommenden religiösen Zitate und katholischen Symbole - allen voran das Kreuz - nicht als Abarbeitung einer eigenen Biografie zu verstehen. Vielmehr sind sie Mittel, "Vergangenes mit der Gegenwart und Vorstellungen von Zukunft zu mischen", und dienen der Überprüfung allgemeinerer sozialer Prozesse, als Kritik am Prinzip göttlicher Bestimmung oder als kollektives Gegenmodell zur erstrebten Freiheit des Individuums: Dem Freiheitsdrang gibt Hofer etwa die visuelle Gestalt eines Raddampfers, der über die blauen Wellen seines Reisekoffers wogt.
Den traurigen Weihnachten steht in der aktuellen Hofer-Ausstellung der Kunsthalle Krems die knallharte Verweigerung von Erlösung "Ergib dich, Mensch!" gegenüber. Überwiegt die Bedrohung den Zufluchtsgedanken? Hofer: "Das Kreuz hat etwas Bedrohliches, aber auch Vertrautes. Es hätte mir gefehlt, wenn es nicht über dem Mittagstisch hinge. Im Schlafzimmer hätte ich es nicht unbedingt gebraucht".
Speicher und Lebensräume
In Krems dominieren Hofers riesige Luftbild-Kartografien von Städten, die irgendwo zwischen unheimlich und apokalyptisch rangieren: Er schichtet spielerisch einen architektonischen Kosmos - mehr Speicher als Lebensraum -, wo Gräben wie schwarze Löcher klaffen und von viel zu filigranen Brücken überspannt sind.
Das Urbane als ein zwischen Fiktion und Realität springender Bezugsrahmen; als gedankliche, wenn auch verschachtelte Heimat für das Thema des Individuums im anonymen Kollektiv; zwischen der Sehnsucht nach Schutz und Freiheitsdrang.
Am Dienstag erhielt Siggi Hofer den seit 1981 vergebenen, renommierten und mit 11.000 Euro dotierten Monsignore-Otto-Mauer-Preis. Die Preisvergabe wird durch eine am Freitag startende Ausstellung im Jesuitenfoyer (bis 20. 12.) ergänzt. Parallel läuft auch eine kleine Personale zu Hofers Werk (Heilige Freiheit, bis 31. 1.) in der Kunsthalle Krems. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.11.2009)
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