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Auktionen: Und schuld ist die Krise

15.10.2008 | 19:27 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Das Dorotheum verkaufte Amerlings „Mädchen mit Strohhut“ zu Rekordpreis an Fürst Liechtenstein. Weniger Freude hatten die Auktionen „im Kinsky“ zum Jubiläum.

Es war eigentlich kein gutes Omen für den Beginn der Wiener Auktionstage in diesem krisengeschüttelten Herbst: Dienstag Nachmittag schleppten sich „im Kinsky“ Wiens sonst unterhaltsamster Auktionator Otto Hans Ressler und ein spärliches Saalpublikum durch 261 Lose Alte Meister und Bilder des 19.Jahrhunderts. Nur 28% fanden neue Besitzer, der Rest wurde oft nicht einmal angesteigert. „Nehmen Sie ein Glas, wir haben etwas hineingemischt, das hebt die Stimmung“, wollte Ressler wohl auch sich selbst über das enttäuschende 15-Jahr-Fest des von ihm mitgegründeten Auktionshauses retten.

Es wurde wohl zu zaghaft genippt, auch die „Klassische Moderne“ erhielt bei einer Verkaufsquote von 33% (von 118 Losen) nur unmerklich mehr Zuspruch, die Zeitgenossen gingen dann doch deutlich besser, hier hat sich „im Kinsky“ im Österreich-Segment eine qualitative Marktführerschaft aufbauen können: 43 % der über 200 Lose wurden verkauft. Trotzdem. Die Absurdität dieses geplatzten Fests verstärkte ein nicht unter Kontrolle zu haltender italienischer Interessent, der den Verlauf immer wieder durch unmotivierte Anbote und Rücknahmen irritierte, so auch bei einer Aktzeichnung Gustav Klimts. Sein Gebot von 63.000 € zog er nach einem Telefonat noch während des Bietens wieder zurück – welche Aktie in dieser Minute gerade abgestürzt war, hätte man gerne gewusst.

 

„Hiobsbotschaften“ verdunkeln Stimmung

Das „gebremste Engagement“ erklärte „im Kinsky“ am Mittwoch in einer Aussendung mit „immer neuen Hiobsbotschaften aus der Finanzwelt“, die die Stimmung „kräftig verdunkelt“ habe. Das würde bestätigen, was Wiener Kunsthändler vorige Woche in der „Presse“ bemerkten – ein Abwarten bei Kunstkäufen. Denn die museal abgesicherten Spitzenwerke, die tatsächlich dazu dienen könnten, flüssiges Geld sicher über die Krise zu retten, so die Theorie, kommen in Österreich nur selten auf den Markt. „Im Kinsky“ hatte in dieser Kategorie gerade Herbert Boeckls „Großer Blumenstrauß“ und Hundertwassers „Kaiser Franz Josef Spital“ im Angebot, die mit je 100.000€ zwar die höchsten Gebote des Tages erhielten, damit aber immer noch an den unteren Schätzwerten lagen. Ansonsten wagten sich die Bieter nur selten über 20.000 € hinaus.

Ein absolutes Meisterwerk war diese Woche nur im Dorotheum zu finden – und es löste alle Erwartungen ein: Friedrich Amerlings auf 250.000 bis 350.000 € geschätztes „Mädchen mit Strohhut“ (1835) erzielte mit 1,502 Mio. € (mit Aufschlägen) Mittwochabend einen doppelten Rekord – es wurde teuerstes Bild des Dorotheums in der jüngeren Zeit und erzielte einen Rekord für Amerling. Käufer war Johann Kräftner, Sammlungsleiter des Fürsten Liechtenstein, der einen Vertreter in den Saal geschickt hatte. Im November wird diese 2007 aus dem Belvedere an die Erben nach Ernst Gotthilf restituierte Ikone des Biedermeier im Wiener Liechtenstein Museum wieder zu bewundern sein. Somit bleibt das Gemälde zumindest vorerst öffentlich zugänglich. Kunstministerin Claudia Schmied hatte im Vorfeld der Auktion eine Petition der Bundesmuseumsdirektoren abgelehnt, in der um den Rückerwerb dieses „herausragenden Kunstwerks der österreichischen Kunstgeschichte“ gebeten wurde. Eine Chance, die Kräftner sich natürlich nicht entgehen lassen konnte.


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