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Galerien in Wien: Neues Biedermeier, Revival des Gartens

04.04.2007 | 18:18 | NICOLE SCHEYERER (Die Presse)

Zwei Künstlerinnen, mal politisch, mal eskapistisch.

Wenn gegenwärtig immer häufiger ein „neues Biedermeier“ konstatiert wird, in das sich der Mittelstand vor der Globalisierung flüchtet wie einst das Bürgertum vor der Industriellen Revolution, dann gehört dazu auch das Revival des Gartens. Jedenfalls locken internationale und heimische Museen in letzter Zeit wieder mit einem unkomplizierten Naturbegriff.

Eine dezidiert politische Vorstellung von Garten verfolgt Cornelia Schmidt- Bleek in der Galerie Hohenlohe. Die geborene Amerikanerin reagierte auf die Zeitungsmeldung, dass die Gefangenen in Guantánamo heimlich Pflanzen gezogen hätten. „Guerilla Gardeners“ ist auf einer der Papierarbeiten zu lesen, die die Wahlberlinerin mit dem Saft von Granatäpfeln gezeichnet hat (1700€). Die rote Frucht wächst auf Kuba ebenso gut wie in ihrem Herkunftsland Persien, aus dem viele der Männer in Guantánamo stammen.

Aber wie sehr braucht der Mensch das Naturerlebnis? Mit ihrer pyramidenförmigen Plexiglas-skulptur „Maslow“ bezieht sich die Künstlerin auf die Bedürfnispyramide, die vom gleichnamigen Psychologen in den 50ern entwickelt wurde. Über die Stufen wächst ironischerweise eine Kakteenart, die besonders genügsam ist.

„Natürlichkeit“ war oft Gegenstand abstruser Untersuchungen. Die Diainstallation „Duchenne Smile“ (4500€) bezieht sich auf das „echte“ Lachen, das der Mediziner Guillaume-Benjamin Duchenne im 19.Jahrhundert erforscht hat. Farbenkräftige Fotos von Blumen erscheinen hier erst verschwommen, dann schärfer: Laut Duchenne zaubern Blumen genuine Freude ins Gesicht. Auf Bildern eines Schimpansen daneben hat die Künstlerin den Winkel des Affenlächelns mit roter Tusche eingezeichnet, wie ihn der Physiologe einst an Menschen zu vermessen pflegte.


Blumen und Kinder

Der Reiz von Blühendem ist schwer zu toppen, nur Kinder rühren noch mehr als jede Rose. In ihrer Fotoserie „My Secret Garden“ spannt Eva Kern in der Galerie Stock beides zusammen. „Jakob“ posiert wie ein Elf von Efeuranken geschmückt, „Vito“ lächelt Seite an Seite mit einer Eule. Im Studio nur bei Tageslicht fotografiert, wirken diese Porträts auf Barytpapier (980–2000 €, Auflage 5) doch dunkel-magisch, was durch olivgrüne Passepartouts unterstrichen wird.

Die von der Werbefotografie kommende Künstlerin (*1954) will den Garten als Metapher für „geheime Dinge, Orte, Gedanken, Fantasien“ verstanden wissen. Ihre Inszenierungen erinnern an „Harry Potter“ oder „Pans Labyrinth“. Den gefälligen Fotos fehlt alles Abgründige, sie sind Waldmüllers Kinderporträts näher als moderner Fotokunst. Wir rücken damit nur noch zwei weiteren Trends unseres Neobiedermeiers näher, nämlich Eskapismus und Mutterliebe bis zur Selbstaufgabe.

Cornelia Schmidt-Bleek: bis 19.5. (1., Bäckerstr.3); Eva Kern: bis 30.4. (4., Schleifmühlg.18)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2007)


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