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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
01. Jänner 2006
21:05 MEZ
Von Anne Katrin Feßler

Kunsthaus Bregenz
Bis 15. Jänner  
Foto: Markus Tretter/Kunsthaus Bregenz
"Opera for a Small Room": Installation von Cardiff und Miller rund um R. Dennehys Plattensammlung.

Foto: Markus Tretter/Kunsthaus Bregenz
Nur von oben eröffnet sich der Blick auf das geheimnisvolle Zimmer in "The Secret Hotel".

Stufen erklimmen zum "Secret Hotel"
Janet Cardiff und George Bures Miller lassen im Kunsthaus Bregenz Bilder, Video und Töne illusionsreich tanzen und loten die Grenze zwischen Fiktion und Realität aus

Nur selten tragen sie dabei zu dick auf.


Bregenz – Mit Muskelkater gehen sie sich etwas beschwerlich, die vielen Stufen in den architektonisch großzügigen Treppenhäusern des Kunsthaus Bregenz. Derzeit sind es sogar um etwa drei Dutzend mehr als sonst. Schmale Stiegen, mit rotem und blauem, jegliche Geräusche schluckendem Teppich bespannt, führen an Ornament- und Blumentapeten vorbei in das von den Kanadiern Janet Cardiff und George Bures Miller zwischen zweitem und drittem Stock eingerichtete und Unheil verheißende "Secret Hotel".

In der Auseinandersetzung mit der Architektur Peter Zumthors wirkt das zusätzliche Geschoss wie ein geheimnisvoller Parasit, ebenso abhängig von der maßgeblichen Struktur der Räume, wie gleichermaßen distanziert und desinteressiert. Ein spannungsvolles Wechselspiel, das auch ihre Raumeingriffe und –Installationen in den übrigen drei Stockwerken charakterisiert: Eingestellte Bühnenarchitekturen, die nur auf den ersten Blick autonom vom umgebenden Raum sind.

Bühne, Kino, Inszenierung - allesamt Aspekte die das Werk von Cardiff, Jahrgang 1957 und Bures Miller, Jahrgang 1960, wesentlich prägen. In Berlin inszenierten sie jüngst für das Jugendstiltheater "Hebbel am Ufer" einen Videowalk durchs Haus. Diese "Ghost Machine" verwebte für den Benutzer zwei verschiedene Wahrnehmungsebenen: Die Sinneseindrücke am Parcours durch das Gebäude und jene der per Display und Kopfhörer eingespeisten, inszenierten Bilder und Töne.

Auch in Bregenz wird der Besucher, wenn auch ohne elektronischen "Guide" auf eine Reise geschickt, bei der Cardiff und Miller ihn sanft zwischen den Realitätsebenen hin- und herschubsen und er selbst Tempo, Intensität und Assoziationsleistung beiträgt. "Pianorama" reagiert auf das geschwätzige Kommen und Gehen im Eingangsbereich mit einem Musik- und Stimmteppich. Beim Herantreten an das Klavier, bei dem die Playola, eine aufmontierte mechanische Apparatur, die Tasten anschlägt, wird das Arbeitsgespräch zweier Filmkomponisten erkennbar. Das absurde Moment sind die realen, Melodien und Motive eines Soundtracks zu einem stets reine Fiktion bleibenden Film.

Verwirrendes im positiven Sinn auch ein Stockwerk höher im "Paradise Institute". Die einzige nicht für das Kunsthaus entwickelte Arbeit, wurde bei der Biennale Venedig 2001 mit einem Preis ausgezeichnet. Cardiff und Miller locken in die Illusion eines prachtvollen alten Kinosaals, um ihre "Opfer" dort in die Irre zu führen: Rätselhafte krimiartige Filmsequenzen werden von scheinbar realem Popcorn-Gemampfe und Getuschel vermeintlicher Sitznachbarn konterkariert. "It’s all arranged", flüstert es unheimlich am Ohr und die Grenze zwischen Fiktion und Realität verwischt noch mehr.

Gruselfaktor

So vorbereitet betritt der Besucher die niedrigen Flure von "Secret Hotel" - ein den Gruselfaktor erhöhendes Raumzitat aus Stanley Kubricks "The Shining". Die Tür am Ende der Treppe führt in eine surreal wirkende Zwischenwelt, die im Alltag des Kunsthauses jedoch ganz banal ist: Im niedrigen Raum zwischen abgehängter Glasdecke und der nächsten Etage öffnet sich der Blick auf ein leeres Hotel-Zimmer. Sein Bewohner ist abwesend und dennoch gegenwärtig.

Ebenso wie die Figur des "R. Dennehy", der die Künstler zur "Opera for a Small Room" inspirierte. Hunderte, vom unbekannten Opernliebhaber signierte Schallplatten fanden Cardiff und Miller auf einem Flohmarkt. Rund um die Fundstücke bauten sie dessen Geschichte und imaginierten das hölzerne "Nest", wo Dennehy seiner Leidenschaft frönen und als Schattenwesen bis in alle Ewigkeit den DJ spielen kann. Wenn dann aber auch der vorbeidonnernde Zug die Lampe aus einer Heinz-Tomatoe-Ketchup-Dose effektvoll erzittern lässt, möchte man um Gnade winseln. Dann war es genug.

Zurückhaltender die Klanginstallation, die die zwei in der Johanniterkirche Feldkirch installiert haben. In "The Forty-Part Motet" (2001) werden die vierzig Stimmen eines Chors anhand von ebenso vielen Lautsprechern greifbar.

Einige gelungene genreübergreifende Kunststückchen: Theater im Kopf und im realen Raum. (Langfassung einer Kritik in DER STANDARD, Printausgabe, 2.1.2006)


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