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14.06.2005 - Kultur&Medien / Kultur News
Interview: "Dann schmeißt mich mein Universitätsrat einfach raus!"
VON BARBARA PETSCH
Kunstakademie-Rektor Stephan Schmidt-Wulffen über schwere Finanzprobleme, Reorganisation und Neubesetzungen.

Die Presse: Die Wiener Kunstakademie hat erhebliche Finanzprobleme. Sie kann sich das Kupferstich-Kabinett und die Akademiegalerie nicht mehr leisten. Was ist da passiert?

Stephan Schmidt-Wulffen: Wir wollen das Kupferstich-Kabinett nicht loswerden, sondern wir haben die Albertina angesprochen wegen einer Lagerung der Bestände. Die Universität ist jetzt ausgegliedert, hat ein gedeckeltes Budget. Immer mehr Belastungen kommen auf uns zu: Abfertigungen, erhöhte Gehälter durch Habilitationen. Allein bei den Mieten fehlen uns 200.000 €. Also müssen wir nach Spar-Potenzialen suchen.

Aber Sie bekommen doch Geld vom Bund.

Schmidt-Wulffen: Nicht genug. Im Globalbudget sind für uns rund 18 Mio. € vorgesehen. 12 Mio. € brauchen wir für Personal, bei den Mieten steuern wir auf 6 Mio. € zu. Wir müssen handeln. Wir werden z. B. eine Dependance in der Josefsgasse schließen und dadurch 200.000 € sparen. Wenn wir den Akademiehof vermieten, bringt uns das weitere 250.000 € Liquidität.

Was ist mit der Akademie-Galerie?

Schmidt-Wulffen: Sie erhält vom Bund jährlich rund 600.000 €, braucht aber viel mehr. Wir werden die Galerie 2006 nicht mehr mit einem Betrag unterstützen können, der zwei, drei Professuren entspricht. Die Galerie beherbergt eine Bundes-Sammlung. Der Auftrag der Kunstuniversität ist zu forschen, zu lehren, nicht ein Museum zu betreiben.

Das Semper-Depot ist auch sehr teuer. Es wurde vom früheren Rektor Pruscha umgebaut. Das war wohl keine so gute Idee?

Schmidt-Wulffen: Im alten Haushaltswesen, der Kameralistik, hat ein guter Rektor gesagt: Wir produzieren im Jahr ein Defizit, um so dem Minister drastisch vor Augen zu führen, dass das Geld nicht reicht. Dieses Spiel ging auch häufig auf. Wenn man - wie wir jetzt - dem Handelsgesetzbuch verpflichtet ist und persönlich haftet, kann man so nicht mehr verfahren. Wenn ich rote Zahlen schreibe, schmeißt mich mein Universitätsrat (Aufsichtsorgan) einfach raus.

Das Semper-Depot ist teuer und unpraktisch?

Schmidt-Wulffen: Es ist ein schönes, aber für die Lehre sehr problematisches Gebäude. Das Semper-Depot kostet im Jahr eine Miete von 1,6 Milo. €. Würden wir umziehen, könnten wir beim selben Raumangebot rund 700.000 € einsparen und wären alle Sorgen sofort los. Das Problem mit dem Semperdepot besteht auch darin, dass wir 100 Prozent der alten Architektur bezahlen, aber nur 75 Prozent nutzen können.

Das klingt ja alles ziemlich schlimm. Gibt es auch positive Perspektiven?

Schmidt-Wulffen: Wir sind schon jetzt eine der interessantesten Kunstschulen Europas und werden in wenigen Jahren, sofern das Ministerium unsere Entwicklungsplanung unterstützt, zu den Besten der Welt gehören. In Wien gibt es so viele herausragende Künstler, dass die Stadt mit jeder deutschen - abgesehen von Berlin - mithalten kann.

Was ist mit den alten Meisterschulen?

Schmidt-Wulffen: Was davon geblieben ist, die Klassen, genügt nicht für eine moderne universitäre Ausbildung. Die Meisterschulen bieten einen geschützten Raum ohne Lehrpläne, Wissensprogramme, mit wenig Kritik. Wir forcieren die Einführung des Bakkalaureats (Grundstudium). Wir glauben, dass Kunstpraxis heute nicht mehr nur auf der Intuition des Einzelnen basiert. Kunst kann man auch lehren und für diese Lehre Prinzipien, Inhalte nennen. Die Epoche der Moderne ist abgeschlossen. Wir stärken das Handwerk, die Werkstätten, die Technik - und die geistige Seite der Kunstproduktion.

Sie besetzen Professuren neu - welche?

Schmidt-Wulffen: Befristete Vertragsprofessuren müssen laut Gesetz erneut ausgeschrieben werden. Drei Berufungsverfahren laufen, vier weitere folgen im Herbst. Die bisherigen Stelleninhaber können sich wieder bewerben, einige haben das getan. Die Professuren von Heimo Zobernig, Walter Obholzer, Adi Rosenblum (die sich ihre Lehre mit Markus Muntean geteilt hat) laufen aus. Im Herbst folgen Eva Schlegel, Peter Kogler, Hubert Schmalix, Franz Graf. Auch Architektur (Pruscha) wird neu gesetzt.

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