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Mumok-Direktor Köb: Das Teuerste ist tief vergraben

13.04.2010 | 19:03 | ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Edelbert Köb, scheidender Mumok-Direktor, will noch einmal das zeigen, was ihm am wichtigsten ist – das Sammeln. Ein Gang durch seine „Konstellationen“.

Stellen Sie sich vor, Sie müssten das Kunsthistorische Museum der Zukunft zusammenstellen. Die Sammlung, durch die Ihre Enkelkinder einmal unsere Zeit verstehen sollten. Die Kunst, die alle Moden überleben wird. Die Auswahl aus hunderten Künstlern und tausenden Arbeiten, die im internationalen Vergleich einmal bestehen müsste. Weiche Knie?

Keine Panik, das war die vergangenen acht Jahre der Job von Edelbert Köb. Ende September übergibt er die Leitung des Museums Moderner Kunst an die Deutsche Karola Kraus. Zum Abschied präsentiert er in der Ausstellung „Konstellationen“, wofür er in seiner Ära gekämpft und gespart hat – seine Ankäufe. Das heißt, eine repräsentative Auswahl davon. Denn Köb war ein überaus fleißiger Sammler. „Ich könnte mit den Zugängen das ganze Museum zwei Mal füllen“, meint er, vor einem der Hauptwerke stehend, die er für das Haus sichern konnte: Daniel Spoerris berühmter „Koffer“, eine Wanderausstellung des Nouveau Réalisme von 1961 im handlichen Pocketformat.

 

Eine der besten Fluxus-Sammlungen

Fast wäre der zweite, nur geliehene Teil der Kölner Sammlung Hahn nach Basel verkauft worden – Köb konnte ihn halten. „So haben wir eine der besten Fluxus- und Nouveau-Réalisme-Sammlungen der Welt.“ Die Kunst der 60er schätzt er überhaupt als wichtigste Periode des 20.Jahrhunderts ein, „sie bestimmt bis heute die Entwicklung“.

Mit einer Fotoserie von Günter Brus' früher Aktion „Ana“ ist auch der Bereich Wiener Aktionismus vertreten, der unter Köb – stark verspätet – massiv aufgewertet wurde: mit dem Erwerb wichtiger Arbeiten sowie des Archivs des Friedrichshofs um eine Million Euro. Ziemlich teuer müssen auch die großformatigen Fotos der Düsseldorfer Schule, von Struth und Gursky, gewesen sein. Köb machte damit ein neues, auf Fotografie und neue Medien konzentriertes Sammlungsfeld für das Museum auf.

In diesem Zusammenhang ist auch das teuerste Einzelwerk zu werten, das allerdings nicht in der Ausstellung vertreten ist: Bruce Naumans „Underground Chamber“ von 1972/1974, ein Betonsarkophag mit Kamera, Lampe, Mikro, vergraben im Hof des MQ vergraben. Von dort wird „live“ Ton auf einen TV-Schirm gesendet. „Es ist eine der ersten derartigen Medienarbeiten der Kunstgeschichte“, erklärt Köb. Trotzdem hatte er vor dieser Entscheidung schlaflose Nächte. Geschätzte 600.000, 700.000 Euro muss diese Installation die Ludwig-Stiftung 2004 gekostet haben. Die Unterstützung dieser Stiftung, die für alle österreichischen Museumssammlungen zeitgenössischer Kunst eingerichtet wurde, ist in den vergangenen Jahren für das Mumok jedoch geschrumpft – wie auch die Schenkungen und Ankäufe.

„Ich bin bei Privatsammlern mit der Erweiterung des Museums erfolgreich hausieren gegangen. Aber niemand stellt Dauerleihgaben oder Schenkungen in Aussicht, wenn sie im Depot landen“, erklärt Köb die Lage. Die bedeutende Sammlung konkreter Kunst von Dieter und Gertraud Bogner ist dabei eine Ausnahme. Den Kampf um die Erweiterung hat Köb jedoch verloren.

Die Entscheidung, sich mehr aufs Sammeln zu konzentrieren als auf Blockbuster-Ausstellungen, kann er trotzdem positiv bilanzieren: Das Mumok konnte ein Besucherwachstum verzeichnen. Und für die Ewigkeit bleiben 1600Neuzugänge im Wert von 13,2 Mio. Euro. „Die Frage war – kann ein Museum heute überhaupt mit der Konkurrenz der Privaten am Kunstmarkt mithalten? Ja, man kann, wenn man wie wir rund zwei Millionen Euro pro Jahr aufstellt. Ein Drittel davon sind Eigenmittel, eines Schenkungen, eines kommt von der Ludwig-Stiftung“, erklärt Köb sein Modell. „Es ist das drei- bis 30-Fache, das andere Museen im Schnitt an Neuzugängen verzeichnen konnten.“ Zumindest bei den Eigenmitteln drängt sich ein Vergleich auf – und tatsächlich führt das Mumok selbst in einem seiner „schlechtesten Jahre“ vor den Konkurrenten Belvedere und MAK. Stellte es 2009 520.000€ Eigenmitteln auf (ohne Ludwig-Stiftung), schafften das MAK 329.000, das Belvedere 377.000.

 

Keine Gefälligkeiten

Was Köb heute anders machen würde? Vielleicht sensibler sein im Umgang mit den Wiener Galeristen, meint er. Das würde er auch seiner Nachfolgerin raten. Trotzdem: „Gefälligkeitskäufe habe ich nie gemacht, obwohl der Druck groß war.“ Zumindest ausgestellt sind keine. Sondern präzise Erweiterungen inhaltlicher, medialer und zeitlicher Schwerpunkte. Eigentlich kaufte Köb ganze Sonderausstellungen zusammen – etwa zum Thema Fotografie und Modell mit wichtigen Arbeiten von Thomas Demand oder Lois Renner. Ob wir diese in Zukunft auch zu sehen bekommen, wird die neue Direktorin entscheiden.


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