Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte
Nancy Spero, Malerin und Pionierin der Frauenbewegung, wird im Museum der Moderne Mönchsberg gefeiert

Von Göttinnen, Opfern und Befreiten

Weibliche Mythen, zur Collage "Artemis" vereint: Rechts oben die Göttin, links eine Gorgone, in der Mitte die Enthauptung eines weiblichen Kentauren. Foto: VBK Wien 2009

Weibliche Mythen, zur Collage "Artemis" vereint: Rechts oben die Göttin, links eine Gorgone, in der Mitte die Enthauptung eines weiblichen Kentauren. Foto: VBK Wien 2009

Von Krista Hauser

Aufzählung Sie ist die erste Frau,
die mit dem angesehenen Herbert-Boeckl-Preis ausgezeichnet wurde. Zur Verleihung im Februar konnte die 83-jährige Amerikanerin aus Gesundheitsgründen zwar nicht kommen, doch ist sie mit einem Video-Interview in der nicht nur für heimische Feministinnen wichtigen Schau präsent: eine zierliche, sensible Frau, klug, kämpferisch, dann wieder leise.

Sie erzählt von ihrem Leben an der Seite des erfolgreichen Malers Leon Golub, ihren Schwierigkeiten, sich zwischen Haushalt und drei Söhnen als Künstlerin durchzusetzen. Malen konnte sie anfangs nur nachts: dunkle Bilder, die von Ängsten und Zwängen handelten. An die Stille der Nacht hat sie sich gewöhnt, noch heute arbeitet sie, wenn andere schlafen. Doch jetzt kann sie aus ihrem reichen Schatz an Erfahrungen, an Themen, Techniken und formalen Überlegungen schöpfen.

Schaurige Männerwelt

"Woman as Protagonist", der Titel der Schau im Salzburger Museum der Moderne, wird Nancy Speros Schaffen aus rund 40 Jahren gerecht: Da schwebt der Adler, Symbol der Welt des Mannes, des Krieges, über einem Fluss von Blut. Dunkle Opfer schwimmen darin, Männer, Frauen, vielleicht auch Kinder? Köpfe, Gliedmaßen ragen aus dem Wasser. Entstanden ist dieses Blatt des Schreckens 1969, eine Antwort auf den Krieg in Vietnam. Auf einem ähnlichen Blatt dieser Zeit steht die Freiheitsstatue auf einem Hubschrauber, darunter wieder namenlose Tote. Man begegnet gefolterten Frauen, Opfern sexueller Gewalt, die Revolutionen und Kriege stets mit sich bringen.

Hera und die Dietrich

Doch da sind auch die anderen Frauen: Antike Göttinnen, Aphrodite, Hera und Artemis, deren Mythen und Kult Spero manchmal mit weiblichen Rollenbildern von heute verknüpft. Selbst Marlene Dietrich steht kess zwischen ekstatischen Dildo-Tänzerinnen. Der fast drei Meter lange Papierstreifen, ein Handdruck samt gedruckter Collage aus dem Jahr 1990, wirkt befreiend, verweist zudem auf die Freude der Künstlerin an Bildgeschichten. Wobei sie sogar gern Darstellungen auf Papyrusrollen des alten Ägypten zitiert.

Wie Schatten wirken Speros schmale, skizzenhafte Figuren da und dort, fast immer auch erotisch, oft sexuell aggressiv. Dann wieder Akrobatinnen, leichtfüßig, schwebend oder auch mit verrenkten Armen und Beinen. Oder eine Parade kleiner nackter Gestalten mit Stöckelschuhen und Perücken: Facetten der "befreiten" Frau, von der Spero lange träumte und an die sie heute glaubt. Ein Foto im Katalog zeigt sie vor einem Bild mit Dildo-Tänzerinnen. Zart und stark.

Aufzählung Ausstellung

Nancy Spero.

Woman as Protagonist Museum der Moderne Mönchsberg, Salzburg Bis 14. Juni

Printausgabe vom Samstag, 07. März 2009

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at