Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

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Illustration

Winselnde Socken

(cai) Man isst ja zum Glück auch mit den Augen . Würde man einen Picasso nämlich mit dem Mund vertilgen, würde sich der Magen nachher so anfühlen wie ein kubistisches Porträt. Und die Eingeweide wären eine einzige Guernica-Kolik mit kreischenden Frauen, und ein Stier in Panik tät’ die komplette Darmflora niedertrampeln. Doch hört man auch mit den Augen? Und sieht man mit den Ohren ? Gibt es die "Farbtöne" und die "Klangfarben" wirklich?

Lois Renner jedenfalls drischt einmal auf sein Schlagzeug mit dem vollen Malerpinsel ein. Kleckst in einem seiner Foto-Gemälde-Legierungen ein wildes Solo für Synästhetiker, die mit ihren Sinnesorganen bekanntlich sehr freizügig umgehen und gern die Netzhaut mit dem Trommelfell verwechseln. Bei schreiendem Grün müssen die sich womöglich die Waschln zuhalten. (Gerüche kann man aber wahrscheinlich nicht hören. Dann müssten Schweißfüße ja klingen wie winselnde Hunde, und synästhetische Schuhverkäufer wären dem Wahnsinn geweiht.)

Renners "Mischtechniken" sind da freilich noch ein bissl komplizierter. Nicht nur, dass er Fotografie und Malerei am Computer kreuzt, treibt er auch sonst sein gefinkeltes Spiel mit der Irritation auf die Spitze. Etwa wenn in seinem Atelier eine Steckdose auftaucht, die gut einen Quadratmeter groß sein muss. Mit einem Mega-Stecker drin, der bereits an "Strom-Hardcore" grenzt. Und sein Modell hält Renner mit Schraubzwingen in Schach. (Maler und Modell – jetzt völlig neu.) Denn er hat ein sentimentales Architekturmodell von seinem Ur-Atelier gezimmert, eine ewige Baustelle, gefüllt mit fotorealistisch gebastelten Schrumpf-Sesseln und -Heizkörpern und einem Mini-Schlagzeug. Und inszeniert auf dieser Bühne die klassischen Themen der Kunstgeschichte. Vom "prüden" Stillleben bis zur lasziven Venus. Der beeindruckte Betrachter verliert sich im Rätsel wie Alice im Wunderland: Was ist Illusion, was Wirklichkeit? (Die Steckdose ist real !) Ein Blender oder ein Begnadeter?

Galerie Mauroner

(Weihburggasse 26)

Lois Renner

Bis 27. Jänner

Di. bis Fr. 11 bis 19 Uhr

Sa. 11 bis 16 Uhr

Promenadengemischt.

Die Adamszwiebel

(cai) Vater und Tochter (Imogen Stidworthy selbst, von der dieser merkwürdige Film für zwei Monitore stammt) befinden sich im selben Raum, schauen aber in eine jeweils andere Kamera (oder ignorieren sie), um einen Monolog zu halten. Der eine tut es verbal, die andre in der Gebärdensprache der Schriftsteller (tippt also etwas in die Schreibmaschine). Der Dialog zweier Kommunikationsgestörter?

Natürlich fragt man sich, wieso der Vater dabei ausgerechnet Adams Vorsündenfall-Outfit trägt, als wäre er Mitglied in einem Nudisten-Ensemble. Vielleicht weil er anfangs Mutmaßungen über die paradiesische Frucht der Erkenntnis anstellt. Sie müsse in Wirklichkeit eine Zwiebel gewesen sein, um so viele Tränen verursachen zu können. Wurscht. Sein Charisma bedeckt ihn sowieso wie ein nobler Smoking. Und es spielt nicht einmal eine Rolle, wovon er überhaupt redet.

Galerie Hohenlohe

(Bäckerstraße 3)

Imogen Stidworthy

Bis 3. Februar

Mo. bis Fr. 11 bis 18 Uhr

Sa. 11 bis 15 Uhr

Bannend.

Wenn Spartaner wohnen

(cai) Wohnst du schon oder suchst du immer noch deinen Inbusschlüssel (und die Montageanleitung für die Bretter, die dein Heim bedeuten könnten, um dich von deinem Möbel-Elend zu erlösen)? Die meist desolaten, psychologisch aufgeladenen Räume, die Andrea Witzmann mit ihrem Fotoapparat aufstöbert, sind garantiert ikeafreie Zonen. Notdürftig eingerichtet im hingebungsvoll spartanischen Stil und in einem Anflug von provisorischem Gemütlichkeitswillen. Straffe, unwirkliche Bilder, in denen ein wohnendes Wesen zu spüren, weil auf anwesende Weise abwesend ist.

layr:wuestenhagen

(An der Hülben 2)

Andrea Witzmann

Bis 20. Jänner

Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr

Sa. 11 bis 16 Uhr

Seelenvoll.

Mittwoch, 17. Jänner 2007


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