Meister der Superlative

Picasso ist unumstritten "die" Symbolfigur der Kunst des 20. Jahrhunderts. Ein Phänomen, das sowohl die Massen als auch die Kunst-Kenner immer noch in seinen Bann zieht.
Von Roland Schöny.


Dass Pablo Picasso zu den strahlendsten Figuren der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts zählt, bestätigen Umfragen, in denen er in punkto Bekanntheit an vorderster Stelle rangiert. In der Hitparade der teuersten Bilder der Welt wiederum befinden sich gleich fünf Bilder des Meisters unter den ersten zehn. Gleich nach van Goghs "Schwertlilien" findet sich auf Platz 6 "Pierettes Hochzeit". Verkauft im Jahr 1989 zu einem Preis von mehr als 51 Millionen Dollar.

Frau mit blauem Hut und rotem Band
Frau mit blauem Hut und rotem Band

Daher ist es naheliegend, dass die am 6. September eröffnete Picasso-Ausstellung im Bank Austria Kunstforum aller Voraussicht nach zu einem der quotenstärksten Kunstereignisse Österreichs der letzten Jahre werden dürfte. Mehr als 300.000 Besucher werden bis zum 2. Jänner des kommenden Jahres erwartet.

Jonglieren mit Stilen

Bemerkenswert am Phänomen Picasso ist jedoch, dass es ihm gelang, weltweit eine Vorstellung von Moderner Kunst zu etablieren, obwohl er eine wesentliche Schlüsselforderung der Avantgarde ignorierte, nämlich die permanente Innovation. Vielmehr hat Pablo Picasso schon in der Frühzeit - fast unbekümmert - verschiedene Stile aufgegriffen, gewechselt oder kombiniert. Kubismus, Expressionismus oder klassischen Realismus.

Genau dieses Spiel mit Ausdrucksformen aber scheint seine Genialität auszumachen. Dabei dürfe man nicht vergessen, dass Picasso bereits mit 17 ein reicher, extrem anerkannter Künstler war, meint der Wiener Galerist und Picasso-Kenner Ernst Hilger, der in seiner Galerie parallel zur Picasso-Schau im Kunstforum eine Verkaufsausstellung mit Picasso-Druckgrafiken eröffnet hat.

Wandelnde Elektrizität

Picasso wird als Person immer wieder als wandelnde Elektrizität beschrieben. Seine Produktivität erscheint selbst Insidern unglaublich. Viele seiner Bilder und Zeichnungen entstanden in Hochgeschwindigkeit. Dadurch ist es Picasso gelungen, den Mythos vom genial begabten Künstler zu erneuern. Bis zu seinem 92. Lebensjahr, also bis zu seinem Tod 1973, sind mehr als 30.000 Arbeiten entstanden (das grafische Werk und die keramischen Arbeiten miteinbezogen).

Obwohl Picassos Spätwerk extrem angezweifelt wurde, unter anderem von renommierten Kunsthistorikern wie Werner Spiehs oder dem Amerikaner Clement Greenberg, konnte das die Bedeutung des sogenannten Jahrhundertgenies Picasso kaum mindern.

Symbolfigur Picasso

Für Klaus Albrecht Schröder, den Leiter der Wiener Albertina steht fest: "Was Einstein für die Wissenschaft, ist Picasso für die Kunst." Durchaus zutreffend, zumindest für die Wissenschaft und Kunst im Spiegel des populären Bewusstseins des 20. Jahrhunderts.

Meisterwerke der Malerei

Immerhin hat sich Picasso trotz Massenproduktion mit zahlreichen wesentlichen Arbeiten in die Kunstgeschichte eingeschrieben. Nicht nur mit seinem Bildnis der weinenden Frau, sondern vor allem auch mit seinem epochalen pazifistischen Gemälde "Guernica" aus dem Jahr 1937, das an das Bombardement der gleichnamigen spanischen Stadt durch die Nationalsozialisten erinnert.

Politische Instanz

Die von ihm 1949 für den Welfriedenskongress gemalte weiße Taube wiederum wurde zu einem populären Symbol für viele Friedensbewegungen. Durch solche herausragenden, allgemein verständlichen Zeichen gelang es dem Multimillionär Pablo Picasso Zeit seines Lebens auch als politische Instanz, Gültigkeit zu bewahren.

Bekannte Sujets

Dass Picasso eine solche breite Anerkennung fand, liegt wahrscheinlich auch in der Tatsache begründet, dass er sich auf bekannte Sujets der Kunstgeschichte bezog und diese miteinander kombinierte. Salopp formuliert ließe sich behaupten, sein Werk wies bereits Phasen einer Postmoderne auf, bevor die Moderne ganz ausformuliert war.

Gütesiegel Picasso

Angesichts derart zahlreicher stilistischer Hakenschläge stellt sich die Frage, wie weit es auch so genannte durchschnittliche Picassobilder gibt. Arbeiten also, deren Besonderheit sich höchstens aus dem Namen Picasso ableiten ließe. Picasso hätte durchaus auch Durchhänger gehabt, erzählt der Galerist Ernst Hilger.

Kein Wunder, denn Picasso war ein "Fabulierer", der, so Hilger weiter, ständig Buchwidmungen und kleine Zeichnungen anfertigte. Bis zu 100 Zeichnungen habe er an einem guten Tag in seinen Skizzenblock gemacht. "Dass davon nicht alle von der göttlichen Unbeflecktheit waren, ist klar", präzisiert Ernst Hilger.

Dennoch lassen sich im Bereich der Druckgrafik immer noch Zyklen finden, die selbst vor genauer Kritik bestehen können. Auch wenn es wirklich gute Ausstellungen mit Spitzenwerken, wie die im Kunstforum, eher selten gibt.

Persönlicher Touch

Die Ausstellung im Kunstforum der Bank Austria ist freilich keine Verkaufsausstellung. Sie bringt rund hundert figurative Bilder und Porträts aus der Sammlung des Enkels Bernard Picasso, der etwa ein Fünftel der Werke aus dem Erbe Picassos erhalten hat. Einige Arbeiten davon haben er und die Eltern Bernards persönlich erhalten, ein Großteil ging erst nach dem Tod Pablo Picassos an ihn.

Es handelt sich somit um eine sehr persönliche Sammlung, größtenteils um Bilder, die Picasso selbst lange Zeit zurück gehalten hat. Wie weit sie neue Interpretationen über die Kunst des Jahrhundertgenies Picasso zulässt, wird sich in den nächsten Monaten weisen.

Tipp:
Die Ausstellung "Pablo Picasso" ist bis zum 7. Jänner 2000 zu sehen im Kunstforum Wien.

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