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Kunst und IntifadaDer Kunstmarkt in Israel blüht auch im Schatten der Gewalt – Manche Künstler lehnen Politisierung derKunst abKunst ist in Israel ein florierendes Geschäft. Obwohl einige der
kleineren Galerien wegen der Rezession schließen mussten, ist der
Kunstmarkt im Lande durch die derzeitige Intifada weder zum Halten
gekommen noch wirklich gebremst worden. Die Künstler in den Städten, den
Kibbutzim und den Dörfern malen unbeirrt weiter, Ausstellungen gibt es wie
Sand am Meer und die meisten Galerien verkaufen gut. Gibt es, so könnte
man fragen, überhaupt einen Einfluss der gewalttägigen Wirklichkeit der
Intifada auf die Kunst? Welche Kunst entsteht eigentlich zur Zeit?
Natürlich gibt es Künstler, wie zum Beispiel Aaron Messeg, Amos Yaskil
und Moshe Rosentalis, die weiterhin ihre figurativen Bilder, ihre
Landschaften und ihre abstrakten Kreationen herstellen, so wie sie es in
der Vergangenheit getan haben. Es gibt aber andere, und nicht nur junge
Künstler, etwa Ruth Schloss, Yigal Tumarkin und Uri Lifshitz, in deren
Skulpturen, Drucken und Gemälden sich die blutige Wirklichkeit des Landes
widerspiegelt. Besonders junge Künstler finden sich gerne in Initiativen zusammen, die
auch Manifeste herausgeben. So kann man in einer dieser vielen
Verlautbarungen lesen: „Wir als Künstler sind entschlossen, unsere
Bemühungen für einen friedvollen Dialog weiter zu führen, damit wir eine
gemeinsame friedliche Zukunft beider Völker erreichen.“ Im Sommer 2002 begann eine Gruppe von zusammen 35 israelischen und
palästinensischen Künstlern mit der Israelisch-Palästinensischen
Friedenskoalition zusammen zu arbeiten und begannen ein Projekt, das sie
„35 Drucke – 35 Jahre Besetzung. 35 israelische und palästinensische
Künstler gegen die Besetzung und für eine gemeinsame Zukunft“ nennen.
Herausgekommen ist eine Mappe von 35 Siebdrucken in der Größe 70x100
cm, einige in Schwarzweiß, einige in sechs Farben, die in Jaffa,
Jerusalem, Nazareth und in den Palästinensergebieten, etwa Ramallah,
ausgestellt wurde und weiter nach Brasilien wandert. Gedruckt und verlegt
wird die Mappe (Auflage 70) von dem auch in Deutschland und den USA
tätigen Verlag „Har-El“. Aus dem möglichen Gewinn sollen ähnliche Projekte
mitfinanziert werden. Der Künstler David Reeb, der mit seinem Kollegen Suleimann Mansour
monatelang an diesem Projekt gearbeitet hat, sagt, dass die meisten der
teilnehmenden Künstler den Kunstliebhabern ein Begriff sind. Reeb selbst
hat in Düsseldorf, Berlin und Heidelberg ausgestellt und war auf der
Documenta in Kassel (1997) vertreten. Dany Karavan, der in Europa und in
den USA zu den wichtigsten Künstlern gezählt wird, hatte im Dezember 2002
im Whitney-Museum eine Ausstellung, und Micha Ullmann hat eine Professur
an der Stuttgarter Kunstakademie. Mansours Arbeiten und die von Tayseer
Barakat konnte man 2002 beziehungsweise 2000 auf der Biennale von Sao
Paulo sehen. Michael Rovner wird Israel auf der diesjährigen Biennale von
Venedig repräsentieren. Der Name Yigal Tumarkin ist auch außerhalb Israels
bekannt und Rula Halawanis Fotos werden auch in den USA geschätzt.
Als die Ausstellung nach Nazareth kam, sagte der Bürgermeister Ramez
Djerassi: „Jede aufrichtige Initiative dieser Art fügt den Bemühungen, ein
Verhältnis zwischen unseren beiden Völkern aufzubauen, wie wir es uns
wünschen, ein weiteres Element hinzu und gehört in eine ganze Reihe von
ähnlichen Initiativen, die verwirklicht werden.“ Der Sammler und Kritiker Arturo Schwartz nannte Kunst ein „Instrument
der Erkenntnis“, das eine wichtige Rolle beim Aufbau gegenseitigen
Verständnisses spielt. Die Tatsache, dass diese Künstler sich die Hand
reichten, so Schwartz, kann als Beweis dafür gelten, dass der Frieden eine
Chance hat. Im August 2002 fand eine große Ausstellung in der arabischen Stadt Umm
Al Fahm (Galiläa) statt. In dieser wurden Kunstwerke gezeigt, die die
Künstler zugunsten einer Menschenrechtsorganisation (Doctors for Human
Rights) geschaffen hatten. Die Schau ging dann in die Rosenfeld-Galerie in
Tel Aviv. Unter dem Titel (nach einem populären Lied) „Believe me, the day
will come (when there will be peace)“ konnten von den 350 Werken so viele
verkauft werden, dass mehr als 22 000 Dollar zusammenkamen. Die Jerusalemer Künstlerin Naomi Gafni, deren Vater aus Frankfurt am
Main und deren Mutter aus Breslau stammt, sagt, dass sie nicht daran
glaube, dass es gut sei, Kunst zu politisieren. Politische Kunst fände sie
abstoßend. „Natürlich habe ich meine eigene politische Überzeugung, aber
ich male nicht politisch, weil das Land politisch in rechts und links
gespalten ist. Ich will nicht nur eine Meinung wiedergeben, denn Kunst
soll, wie das Leben, vielfältig sein. Allerdings weiß ich auch, dass
alles, was uns umgibt, unbewusst auch in die Kunst einfließt. Denn wenn es
für das Leben wichtig ist, ist es auch für die Kunst wichtig. Man beginnt
damit, an eine Sache zu denken, und endet dabei mit einem Dutzend von
Varianten, weil alles durch den persönlichen Mixer gedreht wird. Verstand
und Gefühl mischen sich, die Frage ist nur: „Was ist dabei Zufall?“ Gafni
versucht, Botschaften in allgemeiner Form und vor allem einfach zu
kommunizieren. Talila Grinberg ist Kuratorin des International Convention Center (ICC)
in Jerusalem. Als in Gilo, einer Vorstadt von Jerusalem, vor zwei Jahren
die Schießereien aus einem benachbarten arabischen Dorf begannen, womit
der Anfang der jetzigen Intifada markiert wurde, errichtete die Verwaltung
eine Mauer und lud acht immigrierte Künstler dazu ein, diese Mauer so mit
Landschaftsszenen zu bemalen, dass man ein Eindruck hat, sie existiere gar
nicht. Die Kuratorin hat dieses Projekt international, unter anderem in
Barcelona, vorgestellt. Diese „Durchsichtigen Mauern“ zeigen das grüne
Tal, das die jüdischen und arabischen Wohngebiete trennt. Viele nach Israel eingewanderte Künstler haben im Kunstmarkt des Landes
eine Nische gefunden, und sehr viele davon sind aus der ehemaligen
Sowjetunion. Eliezer Levit (48) ist einer davon. Früher war er Leiter der
Kunst-Abteilung des Jüdischen Museums in Vilnius (Littauen), in seiner
neuen Heimat malt er und unterrichtet auch. Und philosophiert. Er glaubt,
dass die Zeiten und Umstände, in denen er lebt, ihn dazu zwingen, die
Bedeutung von Tod und Leben gegen einander abzuwägen und darüber
nachzudenken, worum es im Leben wirklich geht. „Ich glaube, wir sind an
dem Punkt angekommen, wo wir uns der Wahrheit stellen müssen. Die ganze
Menschheit muss zu den grundlegenden Dingen zurückkehren: zu
Ernsthaftigkeit, Professionalität, Verantwortung. Es kann nicht angehen,
seine Zeit nur mit kommerziellen Gedanken zu verbringen.“ In einem seiner
jüngsten Werke steht ein russisches Stillleben neben einer Ansicht des
alten Jerusalem, um den Kontrast zwischen Vergänglichem und Überdauerndem
auszudrücken. Olga N. ist Expertin für antike Textilien, die früher im
Puschkin-Museum in Moskau gearbeitet hat. Sie sagt, dass die Gewalt um sie
herum sie anfänglich praktisch versteinert hat. Alle Quellen ihrer
Kreativität versiegten. Nach zwei Jahren Intifada hat sich das geändert,
für sie ist ihr Engagement in ihrer Arbeit ein Mittel geworden, das
Schreckliche um sie herum zu verdrängen. Es gibt auch Künstler wie Hosam Mukhten (27) aus der arabischen Stadt
Faradies gebürtig, der mit dem Beginn der Intifada zu malen begann. Wenn
die Intifada der Auslöser seiner künstlerischen Tätigkeit war, so ist er
sich dessen nicht bewusst. Er hat sowohl jüdische wie arabische Freunde
und spricht auch beide Sprachen. Er hat eines Tages einfach angefangen,
mit Farbe und Pinsel zu experimentieren und damit weitergemacht. Er ist
Autodidakt, hat aber in der Schriftstellerin und Bildhauerin Donatella
Richtman eine kritische Begleiterin. Kürzlich hat er in Tel Aviv seine
erste Einzelausstellung gehabt, auf der er 22 Arbeiten zeigte (Preise von
350 bis 3500 Dollar). Er sagt: „Ich bin mir beim Malen nicht bewusst, was
ich tue. Aber natürlich beeinflusst mich unsere Realität. Was ich mir am
meisten wünsche, ist Frieden, um ein einfaches Leben führen zu können –
natürlich mit allem Komfort.“ Noemi Givon von der Givon Gallery in Tel Aviv ist am meisten vom
Schicksal der Kinder in der derzeitigen Intifada betroffen. Sie sagt, dass
in Israel Kinder immer den Schutz genossen haben. Niemals zuvor seien
Kinder in diesem Land von den Erwachsenen nicht geschützt worden. Beim
kleinsten Anzeichen von Gewalt seien sie in Schutzräume gebracht worden.
„Diese neue Entwicklung, in der das Leben von Kindern auf beiden Seiten
geopfert wird, ist eine einfach nicht akzeptable Situation.“ Sie findet es
zynisch, wie die Erwachsenen Kinder, die sich ja nicht selbst schützen
können, als Instrument zum Erreichen ihrer Ziele missbrauchen. „Was die
Gesellschaft hier anstellt, wird viele Jahre psychologischer Betreuung
notwendig machen“. Deshalb hat Givon eine Austellung organisiert, die die
Frage stellte „Where are the Children? On the Abandonment of Children in
Our time.“ (Wo sind die Kinder? Über die Vernachlässigung von Kindern in
unserer Zeit). Nach einem Monat in der Givon-Gallery wanderte die Schau in
das Ein Harod Museum. Die Tageszeitung Haaretz wählte sie zur besten
Ausstellung des Jahres. Artikel erschienen am 1. M?2003 |
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