Poetische Skizzen
Die Wiener Städtische vereint nun im Architekturzentrum Ringturm
Projekte der Technischen Universitäten Mailand, Delft und Stuttgart in
"Moskau – Melnikow. Architektur und Städtebau von Konstantin Melnikow
1921-1937". Da das Material aus Russland schwer zu bekommen ist und viele
Bauten nur als Skizzen mit poetischen Beschreibungen existieren, half man
sich mit Modellrekonstruktionen und neuen Planzeichnungen. In Moskau
selbst stehen nur mehr die schlecht erhaltenen Arbeiter-Klubs, das private
Wohnhaus des Architekten und, stark verändert, einige Garagen. Weder
Denkmalschutz noch internationale Aktivitäten können sein Werk bis jetzt
schützen: vielleicht trägt aber die Ausstellung zum Umdenken bei.
1974 hat die Galerie nächst St. Stephan in Wien eine erste Schau von
Werken Melnikows im Westen über die Malerin Eva Auer organisiert, deren
Mann Kulturattachée in Moskau war. 1978 erschien eine erste Monografie in
den USA. Kurator Otokar Má è el war auch 1994 an Jan Tabors
Künstlerhausschau "Kunst und Diktatur" beteiligt.
Utopie im Zentrum
Typisch für die revolutionäre Phase nach 1917 ist die Utopie, das
Experimentelle und die minimale Realisierung der teils auch von Walter
Gropius oder Le Corbusier nicht weit entfernten Projekte. Kreis,
Halbkreis, Kreissegment und nach außen hin Zylinder können als
Markenzeichen Melnikows gelten. Anfangs waren in Plänen und Bildern des
universell Ausgebildeten jedoch Kubofuturismus und Konstruktivismus
stärkste Triebfeder. Dies zeigt sich in der rotierend gedachten
Turmkonstruktion aus Glasrechtecken für die Tagezeitung "Leningrader
Prawda" von 1924, im extravaganten Sujew-Klub 1927 und seinem eigenen
Wohnhaus. 1925 baute er aus Holz und Glas den Pavillon seines Landes auf
der Pariser Kunstgewerbe-Ausstellung. Ähnlich kantig und experimentell ist
der Holzpavillon der Machorka-Tabakgesellschaft für eine Messe 1924. Ab
1925 galt er als Spezialist für Garagen – die erste auf einer Pariser
Brücke wurde allerdings nie gebaut. Viele seiner Gedanken zeigen sich bis
heute einflussreich, nur die monumentalen, propagandistischen Entwürfe für
Paläste wirken überholt. Eine "grüne Gartenstadt" lässt sich sogar als
mögliches Vorbild des Wiener Städteplaners Roland Rainer erkennen.
Architektur im Ringturm
Otokar Má è el, 2006
Bis 13. April.
Erstaunlich modern.
Mittwoch, 22. Februar
2006