Galerien
Phanta-Er, -Sie und -Es
(cai) Wie heißt die viel beschworene "Terra australis incognita" jetzt,
wo man endlich ihren richtigen Namen kennt (also diese obskure
Landmasse im Süden), und welche der folgenden Spezies ist dort heimisch?
a) DieKängurus, b) Die Pinguine oder c) Die Kärntner? Nein, nicht
Antarktis und b, die Pinguine, sondern Kärnten und c, die Kärntner!
Jedenfalls hat ein Eingeborener von dort, der Hans Schabus, eine
komplett weiße Karte von seiner Heimat angefertigt. Hm. Nennt man diese
Richtung "Phantastischer Nihilismus"? Patriotismus ja wohl nicht. Aber
eigentlich geht es in dieser üppigen Ausstellung sowieso um den Osten,
der sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs weiter von Österreich
entfernt hat. (Ach, ist das diese "Kontinentaldrift"?)
Kurator Adam Budak hat die Galerie Engholm in einabenteuerliches
Archiv verwandelt, wo sich die Phanta-Sie ungeniert mit Phanta-Ihm
paart. Tschuldigung: mit der Realität. Im Zentrum: zwei Doppelbetten.
Soll man da drin wilde Phantasma-Orgien feiern? (Also, ich
kenn’ bloß Phantasmagorien.) Na ja, schmökern soll man. In den diversen
Schriften über den Orient, die die Gruppe Slavs and Tatars gesammelt
hat. (Würde die bei uns "Bayern und Steirer" heißen?) Und was ist mit
den Büchern auf dem einsamen Regalbrett, die zu phantastisch sind für
diese Welt? "The ultra-complete maximegalon dictionary of every language
ever" - ähm,ein kosmoglottes Wörterbuch? Der Einband ist freilich
Fassade. Aha, ein Potemkinsches Buch wie der Rest. Lauter ungeschriebene
Werke, die in irgendwelchen Geschichten erwähnt werden. Und Agnieszka
Kurant hat die Fiktion "verwirklicht". Fast perfekt, die Illusion.Sogar
eine präzise Karte der mythischen Inseln (Atlantis, Thule ...) hat sie
gezeichnet und die realen Kontinente dafür im Meer ertränkt.
Ob das ein Manifest ist? Nur die Phantasie ist echt. Alles andre ist
Einbildung. (Könnte direkt das Motto der Ausstellung sein.)
Kerstin Engholm Galerie
(Schleifmühlgasse 3)
curated by_adam budak
Bis 18. Juni, Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr
Wohnen ist anstrengend
(cai) Da gibt’s doch diese Redensart: "Denkst du noch oder bist du
schon?" Ach nein: "Ich wohne, also bin ich – nämlich irgendwo daheim."
Und Adam und Ania Witkowscy sind eben auf sehr konzeptuelle Weise
häuslich. Zuerst zwingen sie einen förmlich, sich die Füße
abzutreten. Den vielen Dacken kann man beim besten Willen nicht
ausweichen. Dann beginnt das Unbehagen. Ania W. hat manisch
Papiermodelle von ihrem Zuhause gebastelt und ein bissl dran
herumgezündelt. (Wohl keine Voodoohäuschen, und mit dem Feuerzeug
schaltet man die magische Heizung ein.) Und Adam W. macht mit banalen
Müslischalen mystische Hausmusik. Im Video schaut’s aus, als tät sein
Astralleib mitmusizieren. Trotzdem ist das nicht annähernd so
unterhaltsam wie die 52 visionären Behausungen im Keller der
Galerie Feichtner. Bartosz Mucha hat sie mit beneidenswert
disziplinierter Kreativität in nur einem Jahr entworfen. Er versenkt
Hängematten im Boden und der Bewohner muss zur Energiegewinnung im
Hamsterrad laufen. Tja, Wohnen ist eine Sportart.
Lukas Feichtner Galerie
(Seilerstätte 19)
curated by_magda kardasz
Bis 18. Juni, Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr
Das Gesicht des Ostens
(cai) Dort, wo früher der Ostblock war, haben manche Leute doch glatt
Geld für Kunst übrig. Das dürfte inetwa die Botschaft der Ausstellung
beim Knoll sein. Liliana Popescu hat also von Rumänien bis Estland
Privatsammlungen nach Porträts abgeklappert. Und, oh, im Osten sind die
Geschmäcker so verschieden wie imWesten! (Am liebsten hätt’ ich mir ja
die Augen rausgenommen. Um sie ekstatisch auf den makellosen Blättern
des Letten Harijs Brants rumkugeln zu lassen.)
Knoll Galerie Wien
(Gumpendorferstraße 18)
curated by_liliana popescu
Bis 18. Juni, Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 08. Juni 2011
Online seit: Dienstag, 07. Juni 2011 16:49:00