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Ausstellung: Vom Torso zur Kathedrale - Wotrubas Wandlungen

23.04.2007 | 18:09 | ANNE-CATHERINE SIMON (Die Presse)

Zum 100. Geburtstag des Bildhauers zeigt das Belvedere sein Frühwerk: Skulpturen, Zeichnungen, Aquarelle.

Schwellende Frauenkörper, edel antikisierende, von unsichtbarer Streckbank in die Länge gezogene Torsi weichen breit Sitzenden mit erdenschweren, zugleich entrückten Gesichtern; immer geblockter und „schweigender“ werden die Körper: bis zum fast schon kubisch „Hockenden“, bis zur „Menschlichen Kathedrale“, mit der Wotruba auf den Anblick des zerbombten Stephansdoms reagierte. Und hier erst erkennt man den Wiener Nachkriegs-Wotruba, der sich nach der „klassischen“ Schweizer Phase seinen steinernen Weg in Abstraktion und formale Zersprengung haut.

Bis 1951 reichen die Werke, die in der am Montagabend eröffneten Ausstellung „Einfachheit und Harmonie“ im Oberen Belvedere zu sehen sind. Dass diese Arbeiten der Zwischenkriegszeit, in denen sich Wotruba an Michelangelo und den Expressionisten entlanghantelt, um sich schließlich von allen Haltegriffen zu befreien, lang nur als Vorstufen für Wotrubas „eigentliches“ kubisches Werk nach 1945 galten, wird unbegreiflich, wenn man ihnen im Belvedere gegenübersteht: vor allem den Verwandten von Ovids „hartem Geschlecht, ausharrend in Mühsal“ – wie dem in seiner Haut aus Kalksandstein verwitternden, an Vorzeiten gemahnenden „Großen Sitzenden“. Kraftvoll ist nicht nur der frühe Wotruba (dessen Skulpturen von Zeichnungen und Aquarellen umspielt werden), sondern auch die Initiative des Belvedere: In wenigen Wochen haben Direktorin Agnes Husslein und Kurator Alfred Weidinger ihren Plan umgesetzt: ein kräftiger Geburtstagsgruß (am 23.April wäre Wotruba 100 Jahre alt geworden) und ein programmatisches Signal: „Skulptur ist in letzter Zeit in Österreich zu kurz gekommen“, kritisiert Husslein. „Außerdem steht Wotruba für die Zukunft des Belvedere im 20er Haus.“ Dort hat sie die für ihn vorgesehene Fläche auf 700m2 erweitern lassen, 2008 soll das Schaulager eröffnet werden.


Streit um Erbe: Schiedsgericht geplant

Bis heute gibt es keine solche öffentliche Präsentation der umfangreichen österreichischen Wotruba-Sammlung. Auch der Streit um das Erbe des Künstlers, das vom Fritz Wotruba-Verein (der etliche Werke zur Verfügung gestellt hat) bzw. der Fritz Wotruba-Privatstiftung in Wien sowie von einer Stiftung in Liechtenstein verwaltet wird, dauert an. Geplant ist ein Schiedsgericht, das die Vermögensverhältnisse des Vereins und der Stiftungen durchleuchten soll.

Bis 1933 hat der Sohn eines sozialdemokratischen Schneiders aus Böhmen und eines aus Ungarn stammenden Dienstmädchens in Wien gelebt, wo er bei Anton Hanak an der Akademie der bildenden Künste in Wien studierte.

Dann emigrierte er mit seiner ersten Frau, der Jüdin Marian Fleck, in die Schweiz, nach seiner Rückkehr 1945 wurde er Professor an der Akademie, wo er unter anderem Alfred Hrdlicka unterrichtete. Obwohl er als größter heimischer Bildhauer des 20. Jahrhunderts gilt, wurde sein Werk in Österreich vernachlässigt. Das zeigt auch der Forschungsstand. „Beim Frühwerk gibt es große Lücken“, erzählt Weidinger.

Etwa, was die Datierung betrifft: „Man hat den von Wotruba angegebenen Datierungen vertraut und sie immer weiter tradiert.“ Diese Angaben würden aber keine stimmige Entwicklung ergeben. Durch den Vergleich der Skulpturen, Zeichnungen und Aquarelle habe er nun eine plausible Chronologie hergestellt.

Die Schau „Einfachheit und Harmonie“ ist noch bis 23.Juli, täglich 10–18 Uhr, im Oberen Belvedere zu sehen.Katalog: 19 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2007)


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