Plädoyer für die Subventionierung

"Psyche und Kunst" zählt möglicherweise zu einer der letzten Ausstellungen unter der Verantwortung von Lorand Hegy. Der Direktor des MMK möchte eine mögliche Privatisierung seines Hauses nicht mittragen.


Seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben Künstler, zunächst die Expressionisten und die Surrealisten, anschließend auch die Art Brut, von psychisch Kranken geschaffene Bilder rezipiert. Eine Faszination, der die bis zur Verfolgung und Vernichtung führende Ablehnung der Nationalsozialisten gegenüberstand. Erst nach dem Krieg konnte eine neue Auseinandersetzung mit der "kranken", pathologisierten Kunst zu einem Kunstbegriff führen, der auch den Werken psychisch Kranker gebührenden künstlerischen Status zubilligt und die Qualität eines Werks nicht nach der vermeintlichen Gesundheit des Schöpfers bewertet.

Jürgen Almstedt:
Jürgen Almstedt: "Blütentier", 1990 (Zum Vergrößern anklicken)
Der Arzt Leo Navratil in Wien und seine Patienten haben hier Grundlegendes geleistet. Die Künstler aus Gugging bilden so auch einen zentralen Abschnitt der Ausstellung. Ermöglicht wird aber auch ein Vergleich mit Künstlern aus verschiedenen Kulturen. Präsentiert werden u.a. Werke von Gregorius Belik, Johann Hauser, Paloma, Franca Settembrini, Friedrich Schröder-Sonnenstern, Jana Tumangelov, August Walla und Sabine Wagenknecht.

Die Schau war von Hans-Otto Thomashoff anlässlich des Weltkongresses für Psychiatrie in Hamburg 1999 zusammengestellt worden und zeigt rund 90 Arbeiten von über 30 Künstlern aus Europa, Asien, Nord- und Südamerika.

An dem für das Museum so entscheidenden Wendepunkt hat Maria Rennhofer mit Direktor Lorand Hegy gesprochen.

Anton Blitzstein:
Anton Blitzstein: "Die Vollmondnacht", 1998 (Zum Vergrößern anklicken)
ON Kultur: Herr Direktor Hegy, die Ausstellung "Psyche und Kunst" ist die vorletzte im Palais Liechtenstein, zugleich ist jetzt im September Ihr 10-jähriges Jubiläum als Direktor des Museums Moderner Kunst. Sie sind so in einer Umbruchsphase, der Umzug ins Museumsquartier wird immer realistischer, wie geht es Ihnen in dieser Situation?

Hegy: Für mich ist das nicht anders, wie sonst auch in meinem Leben. Ich habe hier zehn Jahre lang die Sammlung des Museums und der österreichischen Ludwig-Stiftung wesentlich verändert. Ich habe dazu beigetragen, dass die Sammlung aktueller und internationaler geworden ist, und das möchte ich in einer zeitgemäßen museologischen Struktur präsentieren.

ON Kultur: Das wird in zirka einem Jahr sein, wenn das Museumsquartier seine Pforten öffnet. Ihr Vertrag wurde gerade von Frau Minister Gehrer bis Ende 2001 verlängert. Was bedeutet diese mündliche Verlängerung auf ein Jahr? Ist das enttäuschend, dass es nur ein Jahr ist, oder freuen sie sich, dass Sie darin gerade diese schwierige Umbruchsphase über die Bühne bringen werden?

Miroslaw Sledz:
Miroslaw Sledz: "Porträt einer Frau", 1998 (Zum Vergrößern anklicken)
Hegy: Ehrlich gesagt, der Vorschlag kam von mir, weshalb ich nicht enttäuscht bin, sondern das ist die Erfüllung meiner Vorstellung. Wir sind in verschiedenen Diskussionen übereingekommen, dass ich bis zur Ausgliederung des Museums aus dem Budget dessen Leitung übernehme. Und dann, wenn es eine neue Rechtsform für das Museum geben wird, brauche ich persönlich Zeit. Ich glaube auch, dass alle Beteiligten noch genau überlegen müssen, ob diese Ausgliederung für ein Museum Moderner Kunst eindeutig die bessere Form ist im Vergleich zum momentanen Zustand.

Ich persönlich glaube, dass die zeitgenössische Kunst starke Subventionierung braucht, weil der Wert für das breite Publikum nicht ersichtlich ist. Und die jungen Menschen, die Studenten, die jetzt Kultur verinnerlichen, die muss man erziehen, denen muss man die schwer verständliche, zeitgenössische Kunst näher bringen. Und daher glaube ich, dass, wenn wir nur finanziell erfolgreiche Super-Ausstellungen machen müssen, weil diese Einnahmen das Museum finanzieren, dann würden wir diese wichtige pädagogische oder aufklärerische Funktion opfern müssen. Und das würde ich nicht gerne machen.

Jana Tumangelov: Ohne Titel, 1996
Jana Tumangelov: Ohne Titel, 1996

ON Kultur: Nun müssen für so eine Übersiedlung, wie sie Ihrem Haus bevorsteht, Weichen gestellt werden. Ist das nicht problematisch, wenn gar nicht klar ist, ob es Sie sind, der mit dieser neuen Struktur weiterarbeitet?

Hegy: Jeder neue Direktor muss mit dem beginnen, was der alte zurückgelassen hat. Ich glaube aber nicht, dass mein Programm und meine Präsentation eine irreversible Situation für einen Austellungsmacher darstellt.

ON Kultur: In Wien waren Sie nicht unumstritten. Würden Sie die Stadt deshalb mit leichtem Herzen verlassen, oder fühlen Sie sich hier dennoch wohl?

Hegy: Wo ich in Zukunft arbeiten werde, weiß ich noch nicht. Ich habe sehr viele Möglichkeiten. Sehr wahrscheinlich werde ich stärker wissenschaftlich arbeiten, ich würde wieder Bücher schreiben, wie ich das vor meiner Tätigkeit im MMK auch gemacht habe. In Wien fühle ich mich wirklich zu Hause, weil die Stadt Budapest sehr ähnlich ist - auch die negativen Sachen. Auch Budapest ist eine neidische und intrigante Stadt. Aber letztlich glaube ich, dass es heute fast egal ist, wo man arbeitet, wenn man einen Bereich hat, indem man mit Engagement tätig ist.

Link: Museum moderner Kunst

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