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Schweizer Schauspielsaison 03/04 mit Krieg, Krisen und Schlingensief

Die Schweizer Schauspielsaison 2003/04 wartet thematisch vor allem mit Krieg und Krisen auf.

Bern (APA) - Die prominentesten Autoren und Regisseure sind am Schauspielhaus Zürich zu sehen, wo die Saison mit Neal LaButes "Mercy Seat" eröffnet wird. Das Stück spielt am 11. September 2001 in Lower Manhattan.

Zerstörte Utopien inszeniert der scheidende Schauspielhaus-Direktor Christoph Marthaler zwei Mal: Einmal im Tanztheater-Projekt "Das Goldene Zeitalter" und mit Georg Büchners nihilistischem Revolutionsstück "Dantons Tod". Daneben nutzt Marthaler wieder seine Beziehungen zu den bekanntesten jungen deutschsprachigen Regisseuren. So kommt Troublemaker Christoph Schlingensief mit seiner virtuellen "Church of Fear" für die Uraufführung von "Die 4. Generation" nach Zürich.

Falk Richter bringt zwei Stücke zum Thema Krieg zur Uraufführung, "Sieben Sekunden" von ihm selbst und "Für eine bessere Welt" von Roland Schimmelpfennig. Dazu gelangen "Der Sohn" von John Fosse und "Electronic City" von Falk Richter zur deutschsprachigen Erstaufführung.

Außerdem lässt Marthaler Frank Castorf Celines "Reise ans Ende der Nacht" inszenieren, Stefan Pucher Aischylos' "Orestie" und Andreas Kriegenburg Brechts "Puntila und sein Knecht Matti". Ein sicherer Regiewert ist zudem Werner Düggelin, der Tschechows "Onkel Wanja" erarbeitet.

Junge Schweizer Dramatiker sind dagegen auffallend rar im kommenden Spielplan. Immerhin gibt Biel/Solothurn der Bernerin Renata Burckhardt und ihrem neuen Stück "Fluchtpunkt" eine Chance. Und das Theater St.Gallen bringt "Dies ist kein Geständnis" der Aargauerin Christine Rinderknecht zur Uraufführung. Mit einer Prosafassung dieser Unfallflucht-Geschichte ist die Autorin im Juni beim Wettlesen um den Bachmannpreis angetreten.

Nicht ganz neu, aber immer noch aktuell ist der Stoff von "Bankier B.", eine gemeinsame Uraufführung von Luzern und Basel, verfasst vom deutschen Erfolgsdramatiker und "Jungen Wilden" Rene Pollesch. Das Drama basiert auf der Geschichte eines Innerschweizer Bankiers, der Gastarbeiter um ihre Ersparnisse prellt.

In Zeiten der Krise müssen Theater vermehrt um Publikum buhlen. Auffällig viele Häuser tun das mit dramatisierten Erfolgsfilmen. Gleich zwei - Berner Stadttheater und Zürcher Neumarkt - bringen "Elling", die norwegische Geschichte zweier entlassener Psychiatrie-Patienten, die sich neu orientieren müssen. Bern gibt außerdem das Stück "Lantana", das vor zwei Jahren mit Barbara Hershey erfolgreich verfilmt wurde.

Weiterer Filmstoff auf Schweizer Bühnen: Fellinis "E la nave va" in Luzern, Woody Allens "Play it Again, Sam" in Biel/Solothurn sowie die Filmmusicals "Fame" und "My Fair Lady" in St. Gallen. Das Berner Theater an der Effingerstrasse gibt wiederum "Harold und Maude", die Bühnenfassung des gleichnamigen Kultfilms von 1971.
Mit "Nach Paris! Comedie sur un Quai de Gare" hat das Theater an der Effingerstrasse zudem einen Titel im Spielplan, der zu trauriger Aktualität gelangt ist: Samuel Benchetrit schrieb es 2001 für seine Frau, die kürzlich gewaltsam ums Leben gekommene Marie Trintignant, und ihren Vater Jean-Louis. In dieser Besetzung war das Stück in Frankreich ein großer Erfolg.

Neben Filmen werden auch Erfolgsromane vermehrt dramatisiert. So bringt das Theater Basel gleich zwei Kultautoren auf die Bretter: Michel Houellebecq mit "Elementarteilchen" sowie Douglas Coupland mit dem Microsoft-Roman "Mikrosklaven".
2003-08-19 12:23:34