Quer durch Galerien
Den Narzissmus "wegblähen"
Von Claudia Aigner
Woran erkennt man, ob jemand eine leidenschaftliche Affäre
mit seinem Kaffee hat? An den vielen Kaffeeflecken auf seinem Gewand. Es
soll nämlich Leute geben, die bei keiner vollen Kaffeetasse vorbeikommen,
ohne ihr eigenes Spiegelbild dort drinnen abzubusseln. Diese Spezies, die
man "die Narzissten" nennt, wird ja schließlich nicht schon zu Ovids
Zeiten ausgestorben sein. (Damals haben Narzissten freilich noch Wasser
getrunken. Aus einer klaren, silberglänzenden Quelle, an der zuvor noch
nicht einmal eine durstige Ziege geleckt hat.) Solche Personen lockt
Richard Hilbert mit einer Wanne an, die voll ist mit . . . nennen wir's:
"interaktive Tinte". (Bis 11. Oktober liegt die mutmaßliche
Narzissten-Falle in der IG Bildende Kunst, Gumpendorfer Straße Nr. 10-12,
auf der Lauer.) Aber noch bevor man Lust bekäme, so auszusehen, als hätte
man einer Füllfeder unschickliche Avancen gemacht, furzt einem die Tinte
was. Soll heißen: Sie spielt plötzlich Whirlpool (das ist bekanntlich die
Badewanne mit den vielen Blähungen) und macht einem prophylaktisch das
schöne Spiegelbild kaputt. Eine Trotzreaktion der Tinte, die endlich
einmal um ihretwillen geliebt werden will? Oder eine reine
Vorsichtsmaßnahme, um Menschen mit einem Ovid-Komplex, die noch dazu zu
psychosomatischen Reaktionen neigen, davor zu bewahren, Blütenblätter und
Staubgefäße auszubilden, was dem ersten Narziss ja passiert ist? Weder die
IG Bildende Kunst noch niederösterreich kultur, die bei dieser Ausstellung
kooperiert haben, würden wohl die Folgekosten tragen (fürs Blumengießen
und etwaiges Umtopfen). Zugegeben: Die ganze Vorrichtung ist eher
unattraktiv zusammengebastelt, den bösen Humor kann man dennoch genießen.
Dann muss man auch noch das eigene Echo mit anderen teilen. (Für
Leute, die sich gerne selber reden hören, gehört das Echo ja zur oralen
Selbstbefriedigung.) Bei dem einen Rohr gibt man quasi die Bestellung auf
(ruft das Gewünschte hinein), beim andern Rohr kommt dann aber nur ein
Mischmasch heraus - aus allen Echos davor. Die späte Rache der alles
nachplappernden Nymphe namens Echo, die ja von so einem Narzissten
verschmäht worden ist? Weiters zu hören: ein verbales Phantombild von
Philipp Stadler, der drei Blinden Modell gesessen ist. Komischerweise
hätte ich ihn nach der Beschreibung dieser "Fingerzeugen" problemlos
erkannt. In eine Peepshow gehen zwar nicht nur die Vogelkundler (dort
wird ja nicht bloß der Vogerltanz dargeboten), Vögel machen aber trotzdem
ungeniert "piep!". Das nützt Eva Tauchen (bis 6. Oktober in der Galerie am
Park, Liniengasse 2 a) gleich für ihr hyperaktiv dionysisches, leuchtendes
und zwitscherndes Bild "Peep" aus. Das lehnt sich nicht faul an der Wand
zurück, sondern strampelt sich fürs Frauerl ab. Nur mit dem Schwanz kann
es noch nicht wedeln - bzw. der poppige Adam. Der steht hier mit Eva,
allerlei Getier und einem Fernseher in der Botanik. Die Knöpfe in der naiv
pornografischen, naiv paradiesischen Szene sind echt. Zum Wählen der
Leucht- und Klangprogramme (von der Gruppe SHIFZ). Tauchen selbst sagt ein
ornithologisch inspiriertes Kinderlied auf ("Ein Vogel wollte Hochzeit
halten"), eine Genitalanimateurin "vögelt" auf andere Weise ("Ich mach
dich geil"). Die aufputschenden Bilder muss man wohl zu den Genussmitteln
zählen. Bis 4. Oktober beim Lang (Seilerstätte 16): Alois Riedls
"Roter Faden". Gemeint ist die rote Ölkreide, die sich durch diese
konzentrierten Blätter zieht, die mit ganz wenig Linie auskommen. Hier
finden das subjektiv Schmierige der Ölkreide und die Lebendigkeit des
handgeschöpften Papiers zueinander. Meist reizvoll.
Erschienen am: 27.09.2002 |
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