Quer durch Galerien: Mezzanin, Galerie T19, Gerersdorfer
Der Grenzwert für Penetranz
Von Claudia Aigner
Achtung: Spielzeug, das die Fähigkeit zur
Lautstärke und zur Hyperaktivität (und eine "Duracell"-Batterie) besitzt,
kann den Grenzwert für Penetranz deutlich überschreiten. Wie ein Tinnitus.
Anna Jermolaewa setzt uns wieder einmal (bis zum 14. Juli im Mezzanin,
Mariahilfer Straße 74a) einer besonders heimtückischen Variante der
"Zappelphilippitis" aus, von der die Umgebung nämlich nie erlöst wird,
weil der Zappelphilipp sozusagen nie mit seinem Sessel umkippt und also
nicht einmal für diesen einen kurzen Augenblick außer Gefecht gesetzt ist
(wo er dann quasi im Stand-by-Modus wäre). Im Video "Try me"
(Prädikat: penetrant sekkant) schaltet Jermolaewas Tochter im
Spielzeugladen das ganze Quälgeistersortiment ein und lässt uns dann mit
dem wackelnden und zappelnden Zoo allein (und mit der Armee von Hunden,
die auf ihren Presslufthämmern daherhoppeln, bis sie aus dem Regal
fallen). Nach mir der Nervenzusammenbruch. Das ist nicht etwa die neue
Reifeprüfung für Kindergärtnerinnen. (Wenn sie die Videokassette lynchen,
dann haben sie die Prüfung halt nicht bestanden.) Für mich ist hier
vielmehr der Terror der totalen Konsumgesellschaft (ein Kaufzwang- und
Hektikerverein) gelungen umgesetzt. Und eigentlich ist eine
Konsumgesellschaft ja die gleiche Zumutung wie dieses Video. Nebenan
erschießt Jermolaewa ihre Videokamera standrechtlich, von der sie gerade
gefilmt wird. Peng! - Und nur noch "weißes Rauschen". Eine psychologisch
interessante Konstruktion (zwischen "Selbstentleibungshumor", Hinrichtung
und Sachbeschädigung). Die Künstlerin schießt ja zugleich auf ihr
Arbeitsgerät, auf sich selbst und auf ihr Publikum (als Kritikerin habe
ich mich vor dem Bildschirm ganz besonders beschossen gefühlt). Ein fast
schon genial radikaler Versuch über jegliches Sterben. Ein Galerieraum
kann schon mal ein "Messbecher" für Hochwasser sein (gewissermaßen der
große Bruder von der Dosierkugel für Flüssigwaschmittel). Eine
gestrichelte Linie an der Wand zeigt die Füllhöhe an, unterhalb davon ist
alles blau angemalt. Theoretisch steht man hier also längst in einer
Überschwemmung, die aber keinen naturkatastrophalen Realismus beansprucht.
Ein virtueller Wasserrohrbruch. Trockener (pardon: nasser) Humor in
bestechend klarem Design (von Eva Bodnar und N.I.C.J.O.B. koproduziert;
bis 13. Juli in der Galerie T19, Tuchlauben 19). Und N.I.C.J.O.B.
bringt das Kunststück fertig, bei einem Film, den ein anderer schon vor
Jahrzehnten gedreht hat, noch im Nachhinein Regie zu führen und dabei die
Gesundheit des Hauptdarstellers zu gefährden: Virtuos macht er sich an
gefundenen Filmszenen zu schaffen und dehnt etwa einen "Tauchgang" in der
Badewanne (ohne Sauerstoffflasche) dermaßen aus (durch eine technisch
perfekte Zeitschleife), dass der Mann, der unter dem Wasserspiegel kein
Bläschen von sich gibt, eigentlich dezent in den Wasserleichenzustand
übergeht. Eine fast unerträgliche Spannung. Bis die "Leiche" wieder
putzmunter auftaucht. Wie beseitigt man Picassos Rosa Periode aus der
Kunstgeschichte? Man hängt einen Zeppel-Sperl daneben, und schon hält man
die Rosa Periode nicht mehr für rosarot (und müsste Picassos Rosa
eigentlich für ungültig erklären). Kurz: Bei Robert Zeppel-Sperl (bis 14.
Juli beim Gerersdorfer, Währinger Straße 12) sind die Leute gnadenlos
pink. Farbliche Direktheit und "idiotensichere" Erotik gehören eben zu
seiner Überrumpelungstaktik (die bei mir nur bedingt funktioniert).
Großartig (und vergleichsweise "unpink"): die ausschweifende Fabulierlust
der Venedigblätter.
Erschienen am: 06.07.2001 |
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