2008 wurde bei Christoph Schlingensief Lungenkrebs festgestellt, ein Lungenflügel wurde entfernt, Chemotherapie und Bestrahlung folgten.
„Ich bin früher verschwenderisch mit meiner Zeit umgegangen. Warum erkenne ich erst jetzt, dass das Leben schön ist?“, sagte er im Vorjahr bei einem Lese-Termin in Linz.
Abends sei die Angst „wie ein Nebel hochgekrochen“, und er begann seine Panik und Gedanken in ein Diktiergerät zu sprechen – daraus entstand das Buch „So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!“.
Seinem Freund, dem Korrespondenten der Deutschen Presseagentur Wilfried Mommert, hat er vor wenigen Tagen ein letztes SMS geschickt: „.... Ohne Aino wäre ich die letzten Wochen sicher verschwunden. Und nun trainiere ich für einen Aufstieg. Wird zwar noch sehr spannend, was die nächsten Wochen gesundheitlich bringen. Drück uns die Daumen bitte! .... Wenn das jetzt wieder was wird, dann mache ich mehr als drei Kreuzzeichen!“
Der aus einem bürgerlichen Elternhaus stammende künstlerische Unruhestifter wurde zuerst mit seinen frühen Filmen bekannt: „Das deutsche Kettensägenmassaker“ (1990), „Terror 2000 – Intensivstation Deutschland“ (1992) und die TV-„Talkshow 2000“. Es folgten Theater-inszenierungen, Kunstperformances und Installationen wie „100 Jahre CDU“, „Rocky Dutschke, 68“, „Passion Impossible – 7 Tage Notruf für Deutschland“. In den 1990er Jahren gehörte er zu Frank Castorfs Hausregisseuren an der Berliner Volksbühne. Von 2004 bis 2007 gab er sein spektakuläres Debüt als Opernregisseur bei den Bayreuther Festspielen mit Richard Wagners „Parsifal“.
Container-Bewohner
Auch in Österreich war er für Schlagzeilen und Aufreger gut: Nach der schwarz-blauen Regierungsbildung hat er im Mai 2000 in Anlehnung an die Fernsehsendung „Big Brother“ einen Container mit „Asylwerbern“ vor der Wiener Staatsoper aufstellen lassen. Jeden Tag mussten zwei der „Asylwerber“ nach einer Internet- und Telefonabstimmung ausscheiden und wurden „abgeschoben“. 1998 rief er deutsche Arbeitslose zum „Anti-Kanzler-Baden“ am Wolfgangsee, dem Urlaubsort des deutschen Kanzlers Helmut Kohl, auf.
Am Burgtheater hat er immer wieder gearbeitet: 2003 inszenierte er die Uraufführung von Elfriede Jelineks „Bambiland“. 2006 verwandelte er mit „Area 7“ das Theaterhaus in eine Mischung aus Jahrmarkt, Müllhalde und Live-Show. Im März 2009 beschäftigte er sich bei „Mea culpa“ mit Krebs und Tod. „Das ist, als ob das Leben selbst gestorben wäre“, sagte Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek zum Tod von Schlingensief.
Noch im Mai inszenierte er das Opernprojekt „Via Intolleranza II“ nach Luigi Nono in Wien. Sein Hauptanliegen in jüngster Zeit war die Gründung eines Operndorfes in Burkina Faso.
Möge er es – in Anlehnung an seinen Buch-Titel – im Himmel oder sonst wo doch auch so schön haben wie hier in kurzen 49 Jahren.
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