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Sammeln als Kampfansage

06.06.2009 | 17:19 | von Almuth Spiegler (Die Presse)

Der französische Milliardär François Pinault hat in Venedig bereits das zweite Privatmuseum eröffnet: Neben dem Palazzo Grassi stellt er im ehemaligen Zollgebäude Punta Dogana aus, was auf dem Kunstmarkt zurzeit gut und teuer ist.


Grundzufrieden sieht er aus und mit versonnenem Lächeln hält er sie hoch, seine Beute. Einen fetten Frosch, den der Bub anscheinend gerade gefangen hat, an einem Fuß lässt er ihn grausam baumeln. Mit ähnlich zufriedenem Lächeln posierte François Pinault neben dieser überlebensgroßen, unschuldsweißen Skulptur von Charles Ray, die dem französischen Milliardär als eine Art Galionsfigur für sein neues Privatmuseum zeitgenössischer Kunst dient, das er parallel zum Start der Biennale Venedig eröffnet hat – schräg gegenüber vom Markusplatz, gleich neben der Kirche Santa Maria della Salute, im charakteristisch triangelförmigen, von Tadao Ando gewissenhaft adaptierten ehemaligen Zollgebäude Punta Dogana.


2007 hat die Stadt Venedig dem heute 72-jährigen Geschäftsmann und Megasammler den prominenten Ort für 33 Jahre verpachtet. Im Wettbewerb um die Nutzung hatte er zuvor schon die Guggenheim Foundation ausgestochen – ein Triumph gegen eine Institution, deren weltweiter Markenpolitik Pinault in seinem Kunst-Engagement offensichtlich nachstrebt – nach dem Palazzo Grassi, den er 2006 als Privatmuseum eröffnet hat, nachdem sich seine Pläne eines Neubaus auf einer Seine-Insel bei Paris zerschlagen haben, ist die Dogana bereits der zweite Schauplatz seiner sagenumwobenen Sammlung. Weitere Filialen sind angedacht, Material hat der in einem bretonischen Dorf geborene Selfmademan, der für seine rauen Übernahmemethoden berüchtigt war, jedenfalls locker genug für weitere zehn Orte.


Weit über 2000 Werke hat er in den vergangenen 35 Jahren gekauft, beraten von Experten wie der jungen Kuratorin Alison Gingeras, die er dem Guggenheim abwarb. Noch dazu sitzt er als Besitzer des Auktionsriesen Christie's sozusagen an einer der reichsten Quellen des Marktes. Die letzte Entscheidung aber, die behält sich „Monsieur“ immer selbst vor, hört man.

Er selbst sieht seine Sammlung als sein eigenes kreatives Werk, vergleichbar mit dem eines Künstlers, wie er in seinem Statement zur Dogana-Eröffnung beschreibt. Zumindest ist es ähnlich großformatig wie die Kunst, die er öffentlich zeigt: eine monströse Schwulenparade von Paul McCarthy, die riesigen Gemälde von Sigmar Polke, die bei der vergangenen Biennale zu sehen waren, die Vitrinen voll Krieg und Gräuel der Chapman-Brüder, Maurizio Cattelans Pferd, das mit dem Kopf hoch oben in der Wand zu stecken scheint, Takashi Murakamis dekorativ ihr Sperma oder ihre Muttermilch schleudernden Mangahelden etc.


Es ist wie bei der Eröffnung der Pinault-Sammlung im Palazzo Grassi: ein Abnicken der Namen, die den zeitgenössischen Kunstmarkt der vergangenen fünf, zehn Jahre dominierten. Wobei weder alle Werke besonders gut noch besonders schlecht sind, es reißt einen nur keine Überraschung, keine Entdeckung aus dem abgesicherten Gefühl heraus, hier einen dreidimensionalen Auktionskatalog durchzublättern, der einem einen Rekordpreis nach dem anderen verspricht.


Zumindest spiegelt die Ausstellung den Jagdinstinkt des mächtigen Netzwerkers und gesellschaftlichen Aufsteigers wider, der sich schon einmal als Bauarbeiter verkleidet einen Tag vor der Eröffnung auf die Kunstmesse „Art Basel“ geschummelt hat. Angetrieben von der Konkurrenz mit einem anderen französischen Luxuskonzernbesitzer, Bernard Arnault, war es ein Match der Giganten, das die vergangenen Jahre auf dem Kunstmarkt verfolgt werden konnte.


Auch die Adaptierung der Dogana selbst beschreibt Pinault als martialischen Akt: „Es ist ein andauernder Kampf gegen die Zeit und die Elemente.“ Und lässt die Zahlen sprechen: 5000 Quadratmeter, 120 Arbeiter, 300.000 Arbeitsstunden, 10.000 Tonnen Material, 2000 Bootsfahrten vom Festland, 20 Millionen Euro.


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