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Kärntner Kampf gegen das Kabarett

03.11.2008 | 18:32 | ISABELLA WALLNÖFER (Die Presse)

Die Kärntner Seele ist in Aufruhr. Erst fällt mit dem Ableben von Landeshauptmann Jörg Haider „die Sonne vom Himmel“, dann wird das zarte Pflänzlein im ORF-Fernsehen auch noch mit Füßen getreten!

Dirk Stermann und Christoph Grissemann hätten das Land mit ihrem „skandalösen Auftritt“ in ihrer Kabarettsendung „Willkommen Österreich“ „durch den Schmutz“ gezogen, heißt es in einer Aussendung, in der sich Haider-Nachfolger Gerhard Dörfler in einem Aufwaschen auch gleich über die bösen Buben vom „Report“ beschwert. „So darf man mit der Kärntner Seele nicht umgehen“, appelliert er an die zart Besaiteten – und lässt gleich spüren, dass aus der Kärntner Ecke ein scharfer Wind bläst.

Dass ORF-Programmdirektor Wolfgang Lorenz die stets auf hohem Niveau lästernden Großmäuler Ster- und Grissemann in Schutz genommen hat, die Aktion als „zu bildenden medialen Gegenpol“ gegen die allseitige Haider-Hysterie bezeichnete, ist laut Dörfler eine „völlig inakzeptable Politentgleisung“. Fazit: Das BZÖ hat eine Popularbeschwerde gegen den ORF angekündigt, eine Unterschriftenaktion gegen die Verantwortlichen im „rot-schwarzen Wiener ORF“, wie es heißt. Vorsorglich versucht das Land auch gleich zu verhindern, dass die beiden Kabarettisten an der Uni Klagenfurt einen Auftritt absolvieren.

Am liebsten würde das BZÖ denen, die nicht genehm berichten, oder die es wagen, Kritik zu üben, den Mund verbieten. Natürlich nur, weil die Kärntner Seele so ein Zarterl ist. Nicht etwa aus politischem Kalkül, Machtversessenheit oder Mangel an Selbstkritik. Ein paar Verbündete wird das Bündnis schon finden.


Dem ORF kann das nicht schaden, geht es doch an einer Nebenfront um die Frage: Wie viel öffentlich-rechtlichen Rundfunk brauchen wir, und was macht eigentlich den Unterschied zu Privatfernsehen aus? Warum und wofür sollen wir Gebühren zahlen? Sich weder von politischen noch von wirtschaftlichen Zurufern in die Knie zwingen zu lassen, sollte selbstverständlich sein – und wäre ein unumstrittenes Qualitätskriterium. Gerade im Unterhaltungsbereich lässt sich der Mehrwert, der von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt gefordert wird, besonders schwer fassen – deshalb muss sich ein Medium wie der ORF trauen, Leuten in kabarettistischen Formaten auf den Schlips zu treten. Wenn's sein muss, auch den Kärntnern.


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