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Museums-Debatte: „Das intellektuelle Niveau sinkt“

13.04.2008 | 18:06 | BARBARA PETSCH (Die Presse)

Kunst-Theoretiker Werner Hofmann über „Exhibitionitis“ und überforderte Direktoren.

Die Presse: Sind Museumsdirektoren Mangelware? Die Suche nach einem neuen KHM-Chef zieht sich. In den USA fahndet man intensiv nach Direktoren. Liegt das daran, dass sich das Anforderungsprofil für Museums-Chefs stark verändert, verbreitert hat?

Werner Hofmann: Ich vermute eher, man hat es herabgesetzt. Bei der Nachfolge von Peter-Klaus Schuster (Generaldirektor der Staatlichen Museen Berlin) ist man ziemlich großzügig vorgegangen. Ich glaube nicht, dass man unbedingt nach Spitzenkräften sucht. In Wien könnte es ähnlich sein.

 

Sie meinen, die wissenschaftliche Qualifikation wird weniger wichtig.

Hofmann: Das ist ein Hauptproblem. Unsere Museen sind so konstruiert, dass ein Direktor in den heutigen Umständen überfordert ist. Einerseits trägt er die wissenschaftliche Verantwortung, andererseits muss er Sponsoren auftreiben. In Amerika macht das ein eigener Direktor. In den fünfziger Jahren war René d'Harnoncourt, übrigens ein Österreicher, Direktor des Museum of Modern Art (MoMa) in New York. Das war ein hoch gebildeter Mensch, aber kein Fachmann, Dafür pflegte er mit Erfolg die Kontakte zur New Yorker Gesellschaft. Alfred H. Barr (MoMa-Gründungsdirektor) war der Wissenschaftler, der sich um Ankäufe, Ausstellungen usw. kümmerte. Heute müssen sich Direktoren immer mehr ins Rennen um Geld begeben. Daher orientiert sich manche Auswahl-Kommission nicht so sehr am wissenschaftlichen Standard der Kandidaten.

 

Sie waren 1962 Gründungsdirektor des Wiener Museums moderner Kunst – und gingen dann nach Deutschland, auch weil Sie wenig Chancen sahen, hier mit moderner Kunst nachhaltig zu punkten. Die Museumsszene in Wien hat sich stark verändert, zum Positiven?

Hofmann: Ich bin damals nach Hamburg gegangen, an den richtigen Ort zur richtigen Zeit. Nichts ist rufschädigender als an seinem Sessel zu kleben. Im Großen und Ganzen hat Wien eine beneidenswerte Vitalität. Dazu tragen Leute wie Schröder oder Seipel bei. Alles hat sich wirklich positiv verändert. Wie es sich gehört in einer spätkapitalistischen Gesellschaft, sind die Museen allerdings auf das Spielbrett der Rivalitäten geraten. Das Kompetenz-Gerangel dringt auch über die österreichischen Grenzen hinaus. Diese Situation kommt aus der Dynamik der Ereignisse. Letztendlich liegt es am Ministerium, hier ein bisschen ordnend einzugreifen und zu schlichten. Man hat sich ja von der Ausgliederung viele Vorteile erhofft. Die Situation ist ähnlich wie in Hamburg. Die Hamburger Kunsthalle ist jetzt eine Stiftung öffentlichen Rechts. Aber wenn der Direktor Schulden macht, muss eben doch wieder der Staat, in dem Fall die Stadt, eingreifen. Und so wird es eines Tages auch hier sein. Wenn man ständig unterfinanziert ist, kann man niemals tief durchatmen.

 

Aber die vielen Ausstellungen bringen viele Besucher und damit auch Geld in die Kasse.

Hofmann: Ich sehe die Exhibitionitis als eine Berufskrankheit der Museen. Die Ausstellungen kosten viel Geld und bringen keineswegs immer das, was man erwartet. Das Verhältnis zwischen Schausammlung und Wechselausstellungen müsste zurecht gerückt werden. Nehmen Sie die Neue Nationalgalerie in Berlin: Die schöne Sammlung kann fast nie gezeigt werden. Das Haus ist in ein Ausstellungshaus verwandelt worden. Nehmen Sie das Museum moderner Kunst in Wien, da gibt es eine Menge Etagen, die auch schon wieder nicht genug sind. Aber die Sammlung Hahn, ein Kernstück des Museums, kann man kaum richtig zeigen.

 

Sie haben selber viele tolle Ausstellungen gemacht, z. B. „Zauber der Medusa“.

Hofmann: Ich will mich nicht als Lehrmeister aufspielen. Die Ausstellungen sind eine Lust und eine Freude. Ich finde trotzdem, dass sie zu sehr auf Kosten der permanenten Sammlungen gehen. Die Medien springen auf große Namen an. Themen-Ausstellungen werden nicht sehr geschätzt, weder von den Besuchern noch von den Leihgebern. Wenn Sie für eine Themen-Ausstellung einen Rembrandt wollen, bekommen Sie den nicht so leicht. Wenn Sie sagen, ich mache eine Ausstellung mit den 50 schönsten Rembrandts der Welt, da möchte natürlich jeder dabei sein. Es gibt aber dann nur mehr Paraden von Masterpieces. Das senkt das intellektuelle Niveau. Und wenn Sie Themen-Ausstellungen haben, dann tragen diese so plakative Titel wie „Nackt“. Das ist an der Grenze zur Palmers-Unterwäsche.

 

Kunst-Restitution ist momentan in Österreich wieder ein großes Thema. Finden Sie, dass hier gute Lösungen gefunden wurden?

Hofmann: Generell ist das schwer zu beantworten. Wenn Sie mich spezifisch auf die Sache mit den Klimt-Bildern ansprechen, würde ich sagen, die Ungeschicklichkeit war monumental, die man hier an den Tag gelegt hat, gemischt mit Taktlosigkeit, zu der man in Österreich manchmal neigt.

Wie finden Sie den Weg, den die Albertina genommen hat, weg von der reinen Grafik?

Hofmann: Es ist eine dynamische Gratwanderung zwischen dem Erbe und wohin man dieses transportieren muss. Direktor Schröder macht das sehr geschickt. Er eckt manchmal an, was nicht immer notwendig wäre. Das ist eine Temperament-Frage. Ich habe ähnliche Kanten und Ecken in Wien verspürt – und wohl auch provoziert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2008)


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