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Kunstberichte

Galerien live

Little Shop of Horror

(cai) Dann reißts hoid den Klimt vom Keilrahmen runter und wickelts euch die Goldene Adele ums Haupt (als Kopftüchl)! Aus dem Gauguin schneidert euch ein T-Shirt! Und wischt euch doch nach dem Essen auch gleich noch die Münder in die Engerln vom Raffael hinein wie in eine Serviette! Und schreddert den nächstbesten Picasso, damit auch die Puzzler und Puzzlerinnen mit der Moderne etwas anfangen können! Ist jetzt etwa die totale Dekadenz ausgebrochen? Nein, der totale Museumsshop .

Es ist also bloß Duchamps gefährliche Drohung, man könnte doch zur Abwechslung einmal einen Rembrandt als Bügelbrett verwenden, reales Grauen geworden. Die Meisterwerke müssen endlich ihren Solidarbetrag für die Gesellschaft leisten und sich am stinknormalen Leben beteiligen. Natürlich nicht die Originale, sondern alltagstaugliche Sonderanfertigungen. Ein van Gogh lässt sich zum Beispiel erfolgreich als Kaffeehäferl ins Frühstück integrieren.

Ein regelrechtes Horrorkabinett hat uns Lisl Ponger da in der Galerie Charim beschert. Zuerst muss man jeglichen Kunstsinn fahren lassen und sich ekelgebeutelt durch einen Vorhang kämpfen, auf dem die Mona Lisa wohl von einem Zuhälter (oder einem Schergen der Kosmetikindustrie) geschminkt worden ist. Drinnen dann ein Andachtsbild: "Die Beute." Eine Art Allegorie der abendländischen Kunstgeschichte. Eine Ästhetin mit aufgeschlagenem Kunstbuch (über die Moderne und ihre "primitiven" Inspirationen) schaut ins Narrenkastl, als würde sie gerade Vermeer Modell stehen. Überall die Segnungen des "Little Museumsshop of Horror" (es sieht aus wie nach einem Eroberungskaufrausch im Souvenirladen). Und mittendrin Freuds Schreibtisch voller Ethnofigürchen. Klimt und van Gogh als Schirm und Häferl sind also "unser" Ethno-Kitsch. Für die Touristen. Pongers konsequentes, dichtes Werk über die Aneignung von fremdem (und eigenem) Kulturgut macht auf hohem ästhetischem Niveau – sehend.

Galerie Charim

(Dorotheergasse 12)

Lisl Ponger

Bis 20. Jänner

Di. bis Fr. 11 bis 18 Uhr

Sa. 11 bis 14 Uhr

Aufklärerisch.

Magnus Uterus

(cai) Wer in den Keller vom Hilger hinabsteigt, muss sich gefasst machen auf eine unheimliche Begegnung. Nein, nicht der dritten, aber immerhin der anatomischen Art. Nämlich mit der Großen Gebärmutter, die da ihre zahllosen Nabelschnüre heraushängen lässt (in Bauschaum eingebettete Kabel), um Leuchtkästen mit Energie zu versorgen, in denen sich mysteriöse Psi-Phänomene abspielen ("parapsychologisches" Licht entweicht aus "lecken" Körpern). Man könnte alles aber auch für die Apotheose eines Stromkonzerns halten (der nährenden Mutter aller Elektrogeräte). Na ja, wenn es stimmt, dass sogar jede Salatgurkenzelle Licht abstrahlt, also ein Mini-Lämpchen ist, und jeder Organismus in seinem Innern quasi eine dezente Lasershow bietet, huldigt Daniele Buetti hier womöglich bloß dem Licht des Lebens.

Hilger Contemporary

(Dorotheergasse 5)

Daniele Buetti

Bis 21. Jänner

Di. bis Fr. 10 bis 18 Uhr

Sa. 10 bis 16 Uhr

Imposant.

Lila und Gelb tun es

(cai) Gut, manchmal trägt der Harald Gangl schon ein bissl melodramatisch auf. Fast bedenklich. Lässt Lila und Gelb aufs Reißerischste miteinander turteln, dass die Säfte (Pardon: Öle) fließen. Und dann dieses Orange, in dem es "sich abspielt". Oder diese opulent romantische "afrikanische" Landschaft bei Sonnenuntergang. (Afrika und Sonnenuntergang, das ist selbstverständlich eine reine Unterstellung. Romantik nicht .) Aber er verschiebt die Farbmassen wenigstens mit allen Finessen. Außerdem: Ist umwerfende Schönheit denn ein Verbrechen? Nur Langeweile ist illegal. Alles andere ist im Zweifelsfall zulässig.

Galerie Frey

(Gluckgasse 3)

Harald Gangl

Bis 23. Jänner

Mo. bis Fr. 11 bis 19 Uhr

Sa. 10 bis 16 Uhr

Ästhetisch.

Mittwoch, 10. Jänner 2007


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