VN Sa, 6.3.2004

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Kultur 

MEINUNG

Hier die Kunst, da der Künstler

VON WALTER FINK

Es ist eine Klage aller Kulturredakteure aller Zeiten: Die Kultur führe in den Medien ein Mauerblümchendasein, sie werde zwar zugelassen, aber nicht als wichtig erachtet, sie werde in den Printmedien auf unpopuläre Seiten, in den elektronischen Medien auf Randzonen des Tages gesetzt. Schlichtweg: Die Kultur, damit die Kunst würden stiefmütterlich behandelt, in jedem Fall nicht so, wie es ihrer Wertigkeit im Leben zustehen würde. Eigentlich komme die Kultur in den Medien nur vor, weil sich niemand öffentlich als Kunstbanause zeigen wolle, nicht aber aus der Erkenntnis, daß Kunst notwendig sei. Gleiches wie für die Medien gelte auch für die Politik. Kunst sei lediglich das Feigenblatt, mit dem man die kulturelle Blöße bedecke. Und maximal tauge Kunst als Ergänzung zu hehren Staatsakten oder zu gesellschaftlichen Auftritten bei den sogenannten Events. Kunst als zwingender Bestandteil unseres Lebens, als Voraussetzung für die Entwicklung der Menschheit werde aber kaum erkannt. In der Politik nicht und nicht in den Medien.

Trotzdem gibt es immer wieder den Fall, daß sich die Berichterstattung über Kunst auf die Titelseiten der Zeitungen und in die Schlagzeilen der Medien vorarbeitet. Zumindest meint man, daß es die Kunst sei, die solches schaffe. Ist es aber nicht. Nur dann nämlich wird sie so prominent gehandelt, wenn man einen Skandal vermuten könnte, wenn man erwarten kann, daß sich da etwas außerhalb der Kunst in der Gesellschaft abspielt. Das jüngste Beispiel ist die Berichterstattung über die Ausstellung von Otto Muehl im Museum für angewandte Kunst in Wien. Die moralischen Ereiferer haben da wieder Hochbetrieb, die Kunstverteufler können ihrem Hang wieder freien Lauf lassen, indem sie das Pech über den Künstler ausgießen, durchaus aber auch die Kunst meinen. Otto Muehl schafft ihnen die Plattform. Immerhin kann man ihm vorwerfen, wegen verschiedener Sexualdelikte, darunter auch mit Unmündigen, gerichtlich verurteilt worden und auch inhaftiert gewesen zu sein. Das ist unbestritten, macht Muehl wohl auch nicht gerade zu einem besonders liebenswerten Menschen. Die andere Sache ist die Kunst von Muehl. Denn daß er Künstler war, daß er es noch immer ist, das ist ebenso unbestreitbar. Man kann seine Arbeit - unabhängig von seiner Person - schätzen oder nicht. Aber sie ist Kunst.

Eines muß nämlich gerade anhand solcher Diskussionen klargestellt werden: Kunst ist - selbst dann, wenn jemand in seiner Arbeit so auf sein eigenes Leben Bezug nimmt wie Muehl - getrennt vom Menschen zu sehen. In der Kunstgeschichte gibt es ausreichend Beispiele von heute hochgeschätzten Künstlern, die dem Gesetz nach Verbrecher waren. In der bildenden Kunst ebenso wie in der Literatur oder Musik. Nur: Wir kümmern uns heute nicht mehr um das Leben etwa des großen Malers Caravaggio oder des ebenso großen Bildhauers Cellini. Tatsache ist aber, daß beide Mörder waren. Bei beiden aber findet man selbst in einem besseren Lexikon zwar den Hinweis auf ihre kunsthistorische Bedeutung, keinen aber auf das andere, erschreckende Faktum ihres Lebens. Der Küstler bleibt, der Rest ist vergessen. Und so könnte man viele Künstler aufzählen, die zeit ihres Lebens schlichtweg zumindest eklig, manchmal eben auch kriminell waren, die aber dennoch Großes in der Kunst geleistet haben.

Es geht bei diesen Vergleichen nicht um eine Wertung von Otto Muehl, es geht nur darum, das eine vom anderen zu trennen. Und wenn die Ausstellung in Wien derzeit solche Schlagzeilen macht, wenn sie auch dazu führt, daß von politischer Seite sofort der Ruf nach Schließung der Ausstellung, nach Abberufung des Direktors des Museums, nach der politischen Verantwortung des Bürgermeisters (die in diesem Zusammenhang besonders lächerlich ist) erschallt, dann muß man doch auch dagegenhalten. Und klarstellen, was die Kunst ist - und was der Künstler.




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