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05.09.2003 - Ausstellung
Ausstellung: Sex aus der Röhre
Der "Project Space" der Kunsthalle am Wiener Karlsplatz als gemütliches Aufklärungs-Kino.
VON ALMUTH SPIEGLER


Sex als notwendiges Übel? Sex als Leistungssport? Sex zur Reproduktion? Sex je denfalls bedient heute weniger die Fantasie als eine blühende Unterhaltungsindustrie, eine keuchende Marathon-Party ohne Türsteher, überall abrufbar, überall verfügbar. Schnell muss es gehen und lustig sollt's neuerdings auch noch sein. Nachdem sich Aufklärungs-Talkshows im TV erfolgreich als schicke Stadt-Nymphen-Gespräche tarnen, ist Sex endgültig trivialisiert worden. Und von Feminismus-Mief befreit.

In der Kunst hechelt man diesem Trend beruhigender Weise noch ein wenig nach. Es sollte ja wenigstens irgendeine Botschaft vermittelt werden. Die Kunsthalle Wien hat dieses Thema jetzt fast populistisch aufgegriffen und liefert mit "Sex in the City" die Ausstellung zur Kultserie. Und vielleicht lockt der Holzhammer das Publikum ja trotz marketing-technisch lästiger Dauerbaustelle am Karlsplatz in den "Project Space".

Vier Künstlerinnen haben Gerald Matt und Eva Kernbauer ganz à la Carrie, Samantha, Miranda und Charlotte eingeladen. Kommerzielle Bilderflut soll mit künstlerischer demoralisiert werden. Dabei bedient man sich am besten desselben Mediums: Videos, eingebettet in harmloser Wohnzimmer-Atmosphäre. Inhaltlich wird es dann mit Elke, Annie, Tany und Nadine aber doch etwas deftiger.

Am authentischsten trifft dabei Annie Sprinkle das Thema, als Frau vom Hardcore-Fach, ehemals Prostituierte und Porno-Star, in der Kunstwelt als Performancekünstlerin und Sexologin vorstellig. Anfang der 80er brach Sprinkle als erste Frau in die Porno-Produktion ein. Je kompromissloser sie wurde, desto weiter entfernte sie sich von massenwirksamer Vermarktungsfähigkeit. Ihr Video "HerStory of Sex" ist heute in Galerien und nicht in einschlägigen Shops zu erwerben, zu sehen ist es im "Project Space". Dazu ihre Vita "Post Porn Modernist" und Anleitungen zur Sex-Goddess. Doch Sprinkles Kunst erinnert an den Buchmarkt-Aufreger 2002, "Das sexuelle Leben der Catherine M." - nach dem dritten Akt wird's fad.

Investigativer dagegen das Aktions-Video von Nadine Norman. Sie verwandelte 2000 das kanadische Kulturinstitut in Paris zum platonischen Freudenhaus. "Call Girls" standen bereit zu intimen Gesprächen - nach drei Tagen waren sie ausgebucht. Die Prostituierte als Psychotherapeutin. Elke Krystufek darf in diesem Umfeld der Verfügbarkeit natürlich nicht fehlen. Ihr Körper wie Leben scheinen allen offen zu stehen.

Eine echte Entdeckung ist die 30jährige Japanerin Tany. In ihrer Heimat wäre die Ausstellung wohl noch ein Skandal. Anlass für Tany, in verschiedene Rollen, von Pianistin bis Schulmädchen, zu schlüpfen und im doppelten Sinn kopflos deren Lüste offen zu legen.

Kompensatorisch wertvoll daneben Tanys inszenierte Rache an der Männerwelt: Hemmungslos verprügelt sie in B-Film-Manier ihren Exfreund und ehemaligen Kollegen, der den Kunstmarkt in Japan schneller ohne sie erobern konnte. Da half wohl auch kein Sex mehr. (Bis 27. 9. Tägl. 13-19h.)



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