Sex als notwendiges Übel? Sex als Leistungssport? Sex zur Reproduktion?
Sex je denfalls bedient heute weniger die Fantasie als eine blühende
Unterhaltungsindustrie, eine keuchende Marathon-Party ohne Türsteher,
überall abrufbar, überall verfügbar. Schnell muss es gehen und lustig
sollt's neuerdings auch noch sein. Nachdem sich Aufklärungs-Talkshows im
TV erfolgreich als schicke Stadt-Nymphen-Gespräche tarnen, ist Sex
endgültig trivialisiert worden. Und von Feminismus-Mief befreit.
In der Kunst hechelt man diesem Trend beruhigender Weise
noch ein wenig nach. Es sollte ja wenigstens irgendeine Botschaft
vermittelt werden. Die Kunsthalle Wien hat dieses Thema jetzt fast
populistisch aufgegriffen und liefert mit "Sex in the City" die
Ausstellung zur Kultserie. Und vielleicht lockt der Holzhammer das
Publikum ja trotz marketing-technisch lästiger Dauerbaustelle am
Karlsplatz in den "Project Space".
Vier Künstlerinnen haben Gerald Matt und Eva Kernbauer
ganz à la Carrie, Samantha, Miranda und Charlotte eingeladen. Kommerzielle
Bilderflut soll mit künstlerischer demoralisiert werden. Dabei bedient man
sich am besten desselben Mediums: Videos, eingebettet in harmloser
Wohnzimmer-Atmosphäre. Inhaltlich wird es dann mit Elke, Annie, Tany und
Nadine aber doch etwas deftiger.
Am authentischsten trifft dabei Annie Sprinkle das Thema,
als Frau vom Hardcore-Fach, ehemals Prostituierte und Porno-Star, in der
Kunstwelt als Performancekünstlerin und Sexologin vorstellig. Anfang der
80er brach Sprinkle als erste Frau in die Porno-Produktion ein. Je
kompromissloser sie wurde, desto weiter entfernte sie sich von
massenwirksamer Vermarktungsfähigkeit. Ihr Video "HerStory of Sex" ist
heute in Galerien und nicht in einschlägigen Shops zu erwerben, zu sehen
ist es im "Project Space". Dazu ihre Vita "Post Porn Modernist" und
Anleitungen zur Sex-Goddess. Doch Sprinkles Kunst erinnert an den
Buchmarkt-Aufreger 2002, "Das sexuelle Leben der Catherine M." - nach dem
dritten Akt wird's fad.
Investigativer dagegen das Aktions-Video von Nadine
Norman. Sie verwandelte 2000 das kanadische Kulturinstitut in Paris zum
platonischen Freudenhaus. "Call Girls" standen bereit zu intimen
Gesprächen - nach drei Tagen waren sie ausgebucht. Die Prostituierte als
Psychotherapeutin. Elke Krystufek darf in diesem Umfeld der Verfügbarkeit
natürlich nicht fehlen. Ihr Körper wie Leben scheinen allen offen zu
stehen.
Eine echte Entdeckung ist die 30jährige Japanerin Tany.
In ihrer Heimat wäre die Ausstellung wohl noch ein Skandal. Anlass für
Tany, in verschiedene Rollen, von Pianistin bis Schulmädchen, zu schlüpfen
und im doppelten Sinn kopflos deren Lüste offen zu legen.
Kompensatorisch wertvoll daneben Tanys inszenierte Rache
an der Männerwelt: Hemmungslos verprügelt sie in B-Film-Manier ihren
Exfreund und ehemaligen Kollegen, der den Kunstmarkt in Japan schneller
ohne sie erobern konnte. Da half wohl auch kein Sex mehr. (Bis 27. 9.
Tägl. 13-19h.)
© Die Presse | Wien