Linz/Wien - Der tödliche Griff an die Hochspannungsleitung wiederholt sich. In schnellen Schnitten hielt Valie Export diese finale Geste im Film Menschenfrauen (1979) fest. Strom sieht Export als interessantes, flüchtiges und nicht fassbares Material. Sichtbar wird es in seiner Wirkung: etwa auf Fotos von Stromtoten - durch Selbstmord oder Unfall -, die sie mit Menschenfrauen zur Installation ergänzt. Die Filmkamera konzentriert sich dabei immer und immer wieder auf die Hände.
Die spielen auch in anderen Arbeiten der 70-jährigen Künstlerin eine zentrale Rolle. Finger, durchbohrt oder an den Strom angeschlossen in Bleistiftzeichnungen (1973/74), geritzt und blutend wie in Remote..., Remote... (1973) als Ausdruck von Seelenzuständen, Folterungen als Zeichen von Unterdrückung. Hände tauchen aber auch als stummes Sprachwerkzeug in Sehtext - Fingergedicht (1968/1973) auf. Den Frauen wurde lange keine eigene Sprache zugebilligt: eine Form der Ungleichbehandlung, die sich in anderer Form, etwa als ungleiche Bezahlung gleicher Arbeit, bis heute hält. Das zu thematisieren ist Exports Anliegen, unter anderem führte es zu ihrer Beschäftigung mit der Stimmritze, der Glottis: "Das Organ ist nicht genderbestimmt." Für die Künstlerin war es eine wichtige Erfahrung, die eigene Glottis beim Sprechen zu sehen.
Im Grunde ist auch ihr Name, den sich die Künstlerin 1967 gegeben hat und der sich eigentlich in Versalien schreibt, eine großgeschriebene Ansage an zu viel weibliche Bescheidenheit. Ein selbstbewusstes Zeichen gegenüber dem Umstand, dass im Gewusel der Aktionisten-Clique Frauen gerne übersehen wurden.
Körper, Stimme und Sprache, Zeit und Raum sowie die Frage nach persönlicher oder kulturell angelernter Identität verfolgt die Künstlerin seit ihren Anfängen konsequent. Themen, die stets gesellschaftspolitisch zu lesen sind, sich kritisch mit Medien, Gewalt und Machtstrukturen auseinandersetzen und mit existenziellen Fragestellungen verbinden.
Auch die gemeinsamen Ausstellungen des Linzer Lentos und des Wiener Belvedere machen diese Themenfelder deutlich. In den Präsentationen treten Arbeiten quer über die Jahrzehnte miteinander in Dialog. "Die Bilder berühren sich", beschreibt Export.
Dass die Ausstellungen unabhängig voneinander funktionieren, aber in Kombination nicht redundant werden, ist Kuratorin Angelika Nollert wichtig. Ihr Anspruch ist aufgegangen: Motive wiederholen sich nur im Sinne einer Verdichtung. Auch auf Chronologie hat sie verzichtet. Die Arbeiten gruppieren sich um raumgreifende jüngere Installationen, die als Angelpunkte für frühere Arbeiten funktionieren. Dieser Bündelung scheint das Belvedere, wo mehrere Räume zur Verfügung stehen, entgegenzukommen. Im Lentos ist die Soundkulisse einzelner Werke allzu dominant, obwohl Export selbst dieses akustische In-Beziehung-Treten begrüßt.
Auf Stereotype festgenagelt
Gute vierzig Jahre nach Genitalpanik und Tapp- und Tastkino wird sie immer noch stereotyp auf ihre einst skandalös verstandenen Aktionen festgenagelt. Das beweist leider ein Ausstellungshinweis auf den Infoscreens der U-Bahn: "Sie ließ Fremde Ende der 1960er-Jahre ihre Brüste abtasten und sorgte damit für Aufregung". Soll das neugierig machen? Und vor allem wen?
Wen Lust auf nackte Sensationen ins Lentos oder Belvedere treibt, dem sei versichert, dass er - abgesehen davon, dass die verheißene "Brusttast-Arbeit" gar nicht gezeigt wird - fürchterlich enttäuscht sein wird. Valie Export setzt den Körper eben nicht als Werkzeug erotisch motivierten Exhibitionismus ein, sondern als Projektionsfläche innerer Zustände. "Wenn ich etwas erklären möchte, dann möchte ich das auch darstellen. Wenn ich selbst das Material sein kann, dann werde ich es auch sein."
Die Unaufgeregtheit, mit der Valie Export männlich konnotierte Fragen zu ihrem Körper pariert, ist bewundernswert. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, Printausgabe 16./17.10.2010)
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