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Jung und eng, aber im Zentrum

06.06.2009 | 17:58 | von ANNA-MARIA WALLNER (Die Presse)

Gegenbesuch von Gabriele Zuna-Kratky: Die Chefin des Technischen Museums erinnert sich an Schulausflüge und Sonntagsbesuche mit der Mutter im Wien Museum.

Wie sehen Museumsdirektoren aus, wenn sie ein Museum besuchen? Und zwar nicht das eigene. Wird da neidisch in jedes Eck geblickt? Oder sichtbare Gelassenheit an den Tag gelegt, weil man sich für die kleinen Patzer der Konkurrenz nicht verantwortlich fühlt? Gabriele Zuna-Kratky steht im Foyer des Wien Museums und tut in erster Linie eines: Sie staunt.

Und das, obwohl sie das Haus und seinen Direktor, Wolfgang Kos, gut kennt. Man leiht einander gegenseitig Ausstellungsstücke, „natürlich gratis“, wie sie sagt. Das Haus im Fünfzigerjahre-Stil, das sich etwas schüchtern hinter einer Hecke an die Karlskirche schmiegt, ist Zuna-Kratky, der Direktorin des Technischen Museums (TMW), seit Kindertagen vertraut. Wenn auch nicht unbedingt in bester Erinnerung.

Beim Besuch mit der Mutter hätten sie die Gemälde und alten Stiche nicht sonderlich begeistert, sagt sie. Das Miniaturmodell Wiens mit den alten Stadtmauern im ersten Stock war da schon spannender: „Ich weiß noch, wie ich als Volksschülerin da gestanden bin und das angeschaut habe.“ Als Jugendliche habe sie das Naturhistorische und später das Kunsthistorische Museum schätzen gelernt. „Da bin ich an Sonntagen hingefahren und habe Stunden dort verbracht.“

Das Wien Museum sei damals schlicht nicht sehr verlockend, eher verstaubt und trocken gewesen. Erst seit Wolfgang Kos „dieses Museum wachgeküsst hat, hat sich unglaublich viel verändert“. Ehrliches Lob unter Kollegen.

Dass das Haus im Vergleich zum Technischen Museum – es feiert heuer sein 100-jähriges Jubiläum – noch recht jugendlich ist, sieht man ihm nicht an. Der Verfall ist sichtbar, auch wenn das Gebäude immer wieder partiell adaptiert und saniert wurde. Zuna-Kratky kann nachvollziehen, wie sich ihr Kollege Kos hier fühlen muss, wenn alles zu eng wird und aus den Nähten platzt. Sie selbst kann sich glücklich schätzen, sie hat ihr Haus 2000 bestens saniert und erweitert übernommen (siehe Artikel links).

Im Stiegenhaus stößt sie auf ein Ornament aus Staub, entworfen vom kroatischen Künstler Igor Eskinja und eines der Kunstwerke der Sonderausstellung „Fifty Fifty“, die das Wien Museum noch bis November anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums quer durchs Haus zeigt. „Das wird einmal pro Woche neu gelegt. Es ist ein Kunstwerk, das langsam zerstört wird“, erklärt Wolfgang Kos euphorisch beim Rundgang durch die drei Geschoße des Hauses. „Und wenn wer drübersteigt, dann hast du den Staub im ganzen Haus?“, fragt Zuna-Kratky amüsiert.

Am Weg zum Klo. Amüsant findet sie auch das Kunstwerk im Stiegenhaus. Der Linzer Künstler Gerwald Rockenschaub hat der Turmbekrönung von St.Stephan, die seit jeher im Wien Museum zu sehen ist, eine neue Wandfarbe verpasst. Statt auf fahlem Weiß hängt der Doppeladler nun auf knalligem Grün. „Und das ist schon Kunst“, sagt Zuna-Kratky und lächelt, bevor sie die Ausstellungsräume im zweiten Stock betritt, wo soeben die letzten Kleidungsstücke für die Schau über Mode aus der Ringstraßen-Gründungszeit drapiert werden.

Das Grillparzer-Zimmer, „ein einmaliges Juwel, weil ein weitgehend komplettes Beispiel Wiener Wohnkultur um 1850“, hat hier im zweiten Stock seinen fixen Stammplatz, nimmt nur leider den Waldmüller-Gemälden den Platz weg, die so an einer Außenwand des Zimmers sehr bedrängt ausgestellt werden. „Die hängen am Weg zum Klo“, sagt Zuna-Kratky entsetzt. Auch wenn sie ihrem Kollegen fast nur Rosen streut – auf die Frage, was sie anders machen würde, sagt sie zaghaft: „Ich weiß nicht, ob ich es über das Herz bringen würde, die Waldmüllers tatsächlich ins letzte Eck zu hängen.“

Dabei gibt es durchaus etwas, um das sie ihren Kollegen beneidet: „Die Nähe zur Innenstadt“, sagt sie, die schon während ihres Soziologie- und Philosophiestudiums das Fach Museumspädagogik belegt hat. „Und ich habe keinen Schiele und Klimt an der Wand hängen.“

So weit entfernt die Häuser geografisch voneinander sind, so nah beieinander liegen die Museen bei den Besucher- und Mitarbeiterzahlen. Rechnet man alle Standorte des Wien Museums zusammen, also auch die Hermesvilla im Lainzer Tiergarten, das in diesem Jahr besonders im Mittelpunkt stehende Haydnhaus (6., Haydng. 19) und andere, kommt es auf dieselbe Besucherzahl wie das TMW, nämlich 300.000. Rund 150 Mitarbeiter beschäftigen beide Häuser. Und auch was die Materie angeht, ähneln einander die Häuser in vielerlei Hinsicht, findet Zuna-Kratky. „Wir sind Museen der Dinge“, in beiden würden Alltagsgegenstände gezeigt und Zusammenhänge erklärt. „Und wir leben nicht von Touristen, sondern vor allem von Schulklassen und Familien mit Kindern.“ Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre sollen künftig gratis ins Museum gehen können. Betroffen ist davon als Bundesmuseum nur das TMW, und zwar deutlich: Mehr als die Hälfte der Besucher (170.000) sind Jugendliche unter 19. Zuna-Kratky bleibt verständig („Wir haben einen Bildungsauftrag“) und hoffnungsvoll („Die Verluste sollen abgegolten werden“).

Die lang geplanten Jubiläen seien für beide Häuser wichtig, um sich zu besinnen und „um Luft zu holen“, Ideen für die Zukunft zu sammeln. Auch in den Häusern der Kollegen.


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