05. August 2009 - 00:04 Uhr · Von Peter Grubmüller · Kultur

Wenn die Goldhaube leuchtet

Irene Andessner schafft „Nachbilder“ von kunst- und zeitgeschichtlichen Vorbildern. Von 30. September bis 14. November wird die renommierte Fotokünstlerin in den Citylights-Kästen der Kulturhauptstadt 2009 als „Die schöne Linzerin“ auftauchen. Im OÖN-Gespräch erklärt Andessner die Hintergründe und Absichten ihres Projektes.

OÖN: Wo liegt der Ursprung dieser Idee, Linz mit der schönen Linzerin zu überfluten?

Andessner: Im vergangenen Jahr hab’ ich in Wien in 400 Citylights der Stadt Wiener Frauen gezeigt. Das war eine Arbeit, die mir deshalb sehr entgegenkam, weil ich im öffentlichen Raum die Möglichkeit habe, ganz andere Menschen zu erreichen, es erschließen sich andere Kontaktmöglichkeiten. Ich wurde gefragt, ob ich das auch in Salzburg machen würde, am Freitag war die Eröffnung dieser Produktion. Dann hatte ich die Idee, dieses Projekt auch zum Kulturhauptstadtjahr in Linz umzusetzen, auf 108 Citylights wird „Die schöne Linzerin“ erstrahlen.

OÖN: Warum haben Sie für das Sujet die alte Linzer Tracht ausgewählt?

Andessner: Ich entdeckte bei der Ausstellung „Linz Blick“ im Lentos die kleine Fotoarbeit, eine Postkarte eigentlich, von August Sander aus dem Jahr 1904. Das Bild zeigt seine damalige Lebensgefährtin als schöne Linzerin. Das war für mich der Anlass zur Recherche zu diesem Thema. Die erste Darstellung war der 200 Jahre alte Kupferstich von Waldherr. Das war so eine Ikonographie, eine Zusammenfassung davon, was Linz ausmacht, das wollte ich mit einer Neuinterpretation umsetzen.

OÖN: Wie lässt sich die Ikonographie der schönen Linzerin in die Gegenwart holen?

Andessner: Sie wird eine Beschreibung der Stadt sein. Linz hat sich enorm verändert, es hat sehr schöne, leuchtende Gebäude. Die schöne Linzerin wird das neue Bild der Stadt reflektieren. Ich spiegle wider, was mir die Stadt heute und jetzt sagt. Linz wirkt hell, erleuchtet und damit auch sehr weiblich.

OÖN: Für diese Produktion wird eine alte und riesige Polaroidkamera (Format 20x24 Inch, etwa 50x60 Zentimeter, Anm.) aus Prag nach Linz gebracht. Es ist die einzige ihrer Art in Europa. Warum musste es ausgerechnet diese Kamera sein?

Andessner: Wahrscheinlich habe ich europaweit das größte Archiv von Polaroid-Fotografien. Ich habe mit dieser Kamera und Jan Hnizdo, ihm gehört die Kamera, schon einige Male zusammengearbeitet. Allerdings wird das Papiermaterial für diese Kamera nicht mehr produziert, deshalb musste ich zunächst klären, ob noch genug davon vorhanden ist. Drei bis fünf Minuten dauert die Entwicklung eines Bildes, man nimmt das Negativ herunter und sieht sofort, was fotografiert wurde. Seit ich fotografisch arbeite, dient mir das Polaroid als Basis meiner Arbeit. Nach Durchsicht der Aufnahmen kann ich noch alles ändern, die Haltung, den Blick oder das Licht korrigieren. Ich bin damit nicht dem Blick anderer ausgeliefert, sondern bestimme alles selbst. Digitalfotografie käme für mich nie in Frage, weil ich jede Form von Nachbearbeitung am Computer ablehne.

OÖN: Welche besondere Faszination verbirgt sich in der Polaroid-Fotografie?

Andessner: Ich hab’ ursprünglich Malerei studiert – etwa bei Arnulf Rainer und Max Weiler in Wien oder bei Emilio Vedova in Venedig –, und das Polaroid hat einen sehr malerischen Duktus. Es ist bestens geeignet für meine Technik der Selbstporträts. Dafür brauche ich aber auch einen Fotografen, in Linz wird es Alex Majewski sein.

OÖN: Sie alleine sind das Motiv, wird Ihre Kleidung auch ins Heute übersetzt werden?

Andessner: Es ist eine Übersetzung des Kleides der schönen Linzerin von August Sander, mit ganz neuen Materialien, die in sich schon leuchten und sehr technisch sind, auch als Anspielung auf die Ars Electronica. Die Kropfkette ist aus Stahl, allerdings mit altem Verschluss. Dazu hab’ ich eine Goldhaube anfertigen lassen, die illuminiert ist und Bezug nimmt auf dieses weibliche Leuchten der Stadt. Zu all meinen Arbeiten gibt es jeweils ein Vorbild, das ich so detailreich wie möglich nachmache. Die Haltung, der Blick, das Aussehen der Frauen sollen sofort Assoziationen wecken. Ich springe zwischen Vergangenheit und Gegenwart und schaffe Bezüge.

OÖN: Dennoch wird unter jedem Plakat ein anderer Name stehen.

Andessner: Jedes Plakat ist einer anderen Linzer Frau gewidmet. Immer die gleiche Frau, die schöne Linzerin, trägt damit 108 unterschiedliche Namen, denen ich diese Arbeit widme.

Quelle: OÖNachrichten Zeitung
Artikel: http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/art16,234403
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