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derStandard.at | Newsroom | Kultur | Bildende Kunst 
17. Juli 2009
16:19 MESZ

Geöffnet Mi-Sa 10-12 und 14-17 Uhr sowie nach Vereinbarung.
Bis 26. Oktober ist die Sonderausstellung "Fashion & Cartoons" zu sehen: Modedesign von Lucie Porges und Zeichnungen von Paul Peter Porges, dessen Vorfahren aus Scheibbs stammen.

Link:
www.keramikmuseumscheibbs.at

 
Aus der Provinz, aber nicht provinziell
Exaltierte Raritäten: Das Keramikmuseum Scheibbs arbeitet ein Stück Kulturgeschichte der Region auf

Immer wenn Johanna und Hans Hagen Hottenroth drauf und dran waren, einen Fund auf Ebay zu ersteigern, kam ihnen ein gewisser "made in jeromany" zuvor. Er war offenbar wie sie auf Keramik aus Scheibbs aus, und er fand sie bei Sammlern und Erben vor allem in New York. Dort lernten die Hottenroths, die selbst seit den späten 1990er-Jahren in Amerika auf Suche sind, diesen Jerome - so sein bürgerlicher Name - schließlich kennen, und seither tauschen sie sich freundschaftlich aus.

Das ist insofern von Vorteil, als die Hottenroths das Keramikmuseum in Scheibbs gegründet haben und leiten. Sie hüten damit am Rande der Eisenstraße ein Stück Kulturgeschichte, die begann, als ein Besucher aus Wien auf den guten Lehm im Erlauftal aufmerksam wurde. Ab 1923 stellte die Tonindustrie Scheibbs Töpfe, Tassen, Schüsseln etc. her, bald wurden Künstler engagiert, die Formen entwarfen und dekorierten. Unter ihnen waren bekannte Namen aus dem Umfeld der Wiener Werkstätte bzw. der Wienerberger Werkstättenschule (etwa Gudrun Baudisch, Rudolf Knörlein, Elisabeth und Gundi Krippel), und bald sprach sich die Palette - grob bemaltes Geschirr, exzentrische Nippes und groteske Menschen- und Tierfiguren - international herum; "expressiv bis zur Verrücktheit" charakterisiert Hottenroth einige Exemplare in den Vitrinen. In seiner Blütezeit Ende der Zwanzigerjahre exportierte das Unternehmen 80 Prozent seiner Produktion, vor allem eben nach Nordamerika.

Der Niedergang bald danach war typisch für die österreichischen Verhältnisse. Auf die Pleite 1933 folgte die Erzeugung praktischen Geschirrs, vor 1945 für Lazarette, nachher für das notleidende Wien. Die Erben des Firmengründers gingen 1957 erneut in Konkurs, seit 1983 produziert die Lebenshilfe vor allem als bäuerlich verstandenes Dekorgeschirr.

Die Faszination mit den teilweise sehr exaltierten Unikaten und Kleinserien der Vorkriegszeit aber besteht immer noch. Davon können die Hottenroths einige Geschichten erzählen: wie Sammler davon begeistert sind, dass man bestimmten Keramiken "mehr als einen Hauch von Peche" ansehen kann; wie der Japonismus und chinesische Einflüsse ebenso zu verfolgen sind wie Anleihen bei Michael Powolny; wie überhaupt, so Hottenroth, "die Erzeugnisse der Scheibbser Tonindustrie aus der Provinz waren - aber keineswegs provinziell" . Viele Nachfahren der seinerzeitigen Käufer wüssten das nicht zu schätzen, die Sammler dafür umso mehr. (Michael Freund, ALBUM - DER STANDARD/Printausgabe, 18./19.07.2009)

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