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05.12.2005 - Kultur&Medien / Ausstellung | ||
Kunstmesse: Orgasmus unter Palmen | ||
VON ALMUTH SPIEGLER | ||
Am Sonntag ging die vierte "Art Basel Miami Beach" zu Ende. | ||
Kunst und Kohle. Nirgends leben sie ihre uralte Mesalliance heute unge
nierter aus als Anfang Dezember unter dem blitzblauen Himmel und den
Hurrikan-zerzausten Palmen von Miami. Zum vierten Mal bereits schickte die
illustre alte Dame "Art Basel" heuer ihre leichtlebige junge Schwester
"Art Basel Miami Beach" (ABMB) zum schicken Kurzurlaub in die grelle Sonne
des US-Kunstmarkts. Und die brennt erbarmungslos auf superreich dekorierte
Oberflächen: Die Dichte an gestretchten Limousinen und gestressten Art
Consultern verhält sich in etwa proportional zum Champagnerverbrauch bei
den Dutzenden Privatpartys, VIP-Dinners und Museums-Empfängen. Und dass
der kunstaffine Jetset am Pool des mondänsten aller Hotelpaläste, dem
Setai, dann auch noch den neuesten Taschen-Prachtband mit Namen "Artists
and Prostitutes" begießt, ist wohl auch kein Zufall. Welcher Zeitgeist im Dunstfeld dieser im Schnelltempo zur
wichtigsten Kunstmesse der USA gehypten Veranstaltung zum Vorschein kommt,
kann wirklich erschrecken. Künstler wie Karen Kilimnik und Nobuyoshi Araki
etwa waren sich nicht zu billig, für eine so genannte "Visionaire Taste
Bar" Werbebildchen für geschmacklose Geschmacksrichtungen zu designen.
Wenigstens wissen wir jetzt, wie ein Orgasmus schmeckt - nach Trüffel und
Schoko. Das Set war um 175 Dollar käuflich zu erwerben. Ist der Name eines Künstlers erst einmal "gemacht", hat
er Eingang in mächtige Sammlungen wie die der Rubells, de la Cruz',
Margulies' gefunden - um nur die in Miami ansässigen zu erwähnen -,
scheint sich mit ihm zurzeit wirklich alles verkaufen zu lassen. Der Markt
ist so überhitzt, heißt es, wie er es zuletzt in den 80er Jahren war. Vor
dem großen Crash. Also produzieren. Und zwar flott. Dabei können Inhalt
und Anspruch schon einmal auf der Strecke bleiben. Nur zwei Beispiele aus
Miami: Turner-Preisträger Chris Ofili sattelte etwa gerade von Gemälde auf
Plastik um, von seinem Markenzeichen Elefantendung auf Menschlicheres -
und gießt jetzt blau kackende überlebensgroße Afro-Queens in Bronze.
Auflage drei Stück à 250.000 Euro, alle am ersten Messetag ausverkauft.
Bei weitem tragischer: Der südafrikanische Künstler
William Kentridge setzte eine Einstellung aus seinen so wunderbar
gezeichneten Filmen allen Ernstes nachträglich in 3D um und machte so aus
einer zauberhaften Illusion eine banale Kulisse. Um Käufer braucht sich
der Galerist natürlich trotzdem keine Sorgen zu machen. Um den Preis wohl
auch nicht. Denkt man daran, dass allein ein Blatt aus Kentridges
Trickfilmen 85.000 Euro bringt. Keine Kopfzerbrechen brauchten sich auch
Galeristen wie Thaddaeus Ropac - sein Stand war am ersten Tag ausverkauft
- und Gerd Harry Lybke machen. Der quirlige Vermarkter der immer noch wie
verrückt nachgefragten "Neuen Leipziger Schule" hätte sich bereits drei
Stunden nach Eröffnung auf den Strand legen können: Seine wenigen
mitgebrachten Exponate waren sofort weg - darunter ein früher Neo Rauch um
320.000 Dollar. Nur zum Vergleich: Ein ähnlich großes Format von
US-Altmeister Sean Scully erreichte ein paar Kojen weiter gerade 300.000
Dollar. Hauptsache aus Deutschland, scheint es eben zurzeit zu
heißen, wovon auch weniger malerische Vertreter wie John Bock und Thomas
Hirschhorn profitieren. Weniger leicht taten sich in diesem Umfeld
naturgemäß die fünf Wiener Galerien, darunter Rosemarie Schwarzwälder,
Lisa Ruyter und Grita Insam. Obwohl alle zufrieden schienen, von
ausverkauften Kojen konnte nur geträumt werden. Meyer Kainer hatten vor
allem mit den in den USA gut eingeführten Gelitins Erfolg - und konnten
sich mit dem in Los Angeles lebenden Matthias Poledna freuen, der nächstes
Jahr für die Whitney Biennale in New York ausgewählt wurde. Gabriele Senn hoffte noch auf einen US-Sammler, der Marko
Lulics Schriftinstallation "Total Living" reserviert hatte. Engholm
Engelhorn konnten das mitgebrachte Pappmodell von Hans Schabus
Biennale-Venedig-Berg schon im Vorfeld um 27.000 Dollar dorthin verkaufen,
wo es auch hingehört - in ein Wiener Museum. Und Ursula Krinzinger, die
mit Erwin Wurm, Gavin Turk, Jonathan Meese gut verdiente, leistete es sich
sogar, in ihrem Kabinett einen Bildungsauftrag zu verfolgen: Sie zeigte
dort Filme des Wiener Aktionismus, zu erwerben auf günstigen DVDs. Fast
schon ein finanzielles Wagnis, schließlich sei "hier alles so teuer, dass
man verkaufen muss wie eine Wahnsinnige", seufzt die im Auswahl-Komitee
der ABMB sitzende Galeristin. Die Kosten ihres Messeauftritts beziffert
sie mit etwa 70.000 Euro. Kein Wunder, dass bei solchen Investitionen die meisten
der knapp 200 Stände vor allem auf Nummer sicher bestückt waren: Kaum
einer ließ sich auf eine originelle oder nur auf einen Künstler
konzentrierte Präsentation ein. Gemischt und hochpreisig. Das führte zu
einem praktisch nicht mehr überblickbaren Angebot, das mit unglaublichen
sechs Alternativmessen im Schlepptau der ABMB - mit Hilger und Feichtner
fanden sich auf der neuen Pulse-Messe noch zwei weitere Österreicher -
heuer auch nicht einmal mehr halbwegs anständig konsumierbar war: sieben
Messen mit 461 Galerien in viereinhalb Tagen. Da versteht man sogar das
Kalkül der Veranstalter, die auf ihren Flyern in abgekupfertem
Art-Basel-Design warben: "Fuck Art - Let's Party". |
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