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Frankfurter Nachlese |
Die Frankfurter Buchmesse setzte in
diesem Herbst einen Korea-Schwerpunkt. Für neugierige Leser
gibt es da allerlei zu entdecken.
Korea ist immer
noch ein geteiltes Land. Nordkorea gilt als besonders dumme
und brutale Form des Kommunismus. Südkorea als
neoliberalistisches Musterland, allerdings um den Preis
krasser sozialer Gegensätze und zerstörter Traditionen. Im
Koordinatenfeld dieser Verhältnisse behauptet sich die
koreanische Literatur und wird zum Medium, in dem sich die oft
leidvollen Erfahrungen der Bevölkerung artikulieren.
Dass Autoren Bekanntschaft mit dem Gefängnis machen,
gehört in Nordkroea zum Üblichen, war aber bis vor Kurzem auch
in Südkorea keine Seltenheit. In seinem autobiographisch
gefärbten Roman "Der ferne Garten" erzählt Hwang Sok Yong
(*1943) nicht nur von schlimmen persönlichen Erlebnissen,
sondern spricht Grunderfahrungen einer ganzen Generation aus:
das Leiden Unschuldiger an Krieg und Diktatur. Der Roman "Die
Geschichte des Herrn Han" erzählt vom sinnlos-absurden Tod
eines unschuldigen koreanischen
Militärarztes.
Kraftvolle
Lebenszeichen
Zur selben Autorengeneration wie
Hwang Sok Yong gehören der Lyriker Ko Un (*1933), ehemaliger
buddhistischer Mönch und Menschenrechtskämpfer, und Jo Jong
Rae (*1943), Verfasser eines epischen Monumentalwerks zur
jüngeren koreanischen Geschichte. In deutscher Übersetzung ist
Jo Jong Raes Roman "Das Spiel mit dem Feuer" erhältlich, die
Geschichte eines erfolgreichen koreanischen Geschäftsmannes,
den seine Vergangenheit einholt.
Auch Südkoreas junge
Autoren setzen kraftvolle Zeichen. Zur Kultfigur der jungen
Szene wurde Kim Joung Ha. Sein leider nicht ins Deutsche
übersetzter Roman "Der Sterbehelfer" zeigt das Südkorea hinter
der Fassade glanzvoller Wirtschaftsdaten. Er erzählt von der
Mutlosigkeit derer, die mit dem Tempo der Modernisierung nicht
mithalten können. Zwei Anthologien mit Erzählungen geben
spannende Einblicke in die Vielfalt der koreanischen
Literatur. Unter anderem zeigen sie, dass sich nach und nach
auch die schreibenden Frauen zu behaupten
wissen.
Hwang Sok Yong: "Der ferne
Garten". dtv, 520 Seiten, 15 Euro. Hwang Sok
Yong: "Die Geschichte des Herrn Han". Roman. dtv, 140
Seiten, 12 Euro. Jo Jong Rae: "Das Spiel
mit dem Feuer." Edition Peperkorn, Thunum, 388 Seiten, 19
Euro. Sylvia Bräsel/Lie Kang Sook:
Koreanische Erzählungen. dtv, 256 Seiten, 8,50
Euro. Friedhelm Bertulies: "Die Sympathie
der Goldfische." Neue Erzählungen aus Südkorea, Suhrkamp, 287
Seiten, 15 Euro.
vom 27.10.2005 |
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