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03.04.2003 - Ausstellung
"Keine Kleckse mehr"
Sinnlich, klar, dekorativ: Die "art position" gibt einen Überblick der jungen Kunst aus Wien.
VON ALMUTH SPIEGLER


Gestürmt wurde im vergangenen Jahr die Vernissage der ersten "art position" am Gersten-, Hefe- und Hopfenboden der Ottakringer Brauerei. Auf 1000 Quadratmeter gab es etwa 250 Werke von 80 jungen, zu entdeckenden Künstlern aus Wien zu sehen - und auch zu kaufen. Die seltene Chance eines Überblicks, die sich heuer, in Kooperation mit der "Presse", ein zweites Mal, von 23. Mai bis 6. Juni, ergeben wird.

Seit zwei Jahren beschattet der Kunsthistoriker Kolja Kramer die Wiener Kunstszene, um für die "art position" repräsentative Künstler auszuwählen. Warum spart man die Bundesländer aus? "In der Kunst ist das Nationale nicht so wichtig wie die Region", erklärt Kramer: "Und die meisten zieht es sowieso in die Kulturmetropole." Die Altersgrenze für die Teilnahme ist der Jahrgang 1960, das Durchschnittsalter liegt etwa um die 33 Jahre. Zwischen 250 und 300 "signifikante und ernst zu nehmende" Jungkünstler leben und arbeiten zur Zeit in Wien, schätzt Kramer. Die Neueinsteiger haben es hier schwerer als in London, New York, Berlin - "In Wien ist alles so fest gefahren in den Galerien, es gibt eine Lücke bei den Emerging Artists, die wir füllen wollen".

Vertreten sind bei der "art position" Malerei, Skulptur, Grafik, Fotografie, Installation, Video. Der Schwerpunkt liegt aber klar auf Malerei - "weil wir sehen, dass sie wieder erstarkt", sieht Kramer den internationalen Malerei-Boom der letzten zehn Jahre auch in Österreich nachwirken. Zu bemerken ist eine Cross-over-Tendenz mit neuen Medien. "Skizzen etwa werden am Computer entworfen, für den Fotorealismus werden die Vorlagen eingescannt, teils manipuliert, dann auf die Leinwand projiziert und abgemalt", erklärt Kramer ernüchternd. Warum wird dann überhaupt auf die klassische Technik zurückgegriffen? "Vielleicht weil die virtuelle Welt überhand nimmt. Als Gegenpol soll ein greifbares, dreidimensionales - und vor allem statisches Bild entstehen." Das sei auch eine plausible Erklärung, warum in letzter Zeit die Holzskulptur ein wundersames Revival erlebt.

Keine Kunstmesse ohne die grob geschnitzten Figuren. Eine fast romantische Rückwendung zur Natur, zum Ursprung, meint Kramer, erzeugt durch das Überangebot. In der Malerei bleibt man ähnlich konservativ. Abstraktion tritt in der jüngsten Kunst zurück, man artikuliert sich figurativ und nach geometrischen Kompositionsprinzipien. Das oft alltägliche Motiv konzentriert sich in der Bildmitte. "Man sieht viele gerade Linien und klare Konturen - keine Kleckse mehr", so Kramer - "ein Wille zur Grenze, zur selbst auferlegten, ist dominant, man will sich nicht mehr permanent entscheiden müssen". Auch der Betrachter trägt nicht mehr die Verantwortung, sich Konzepte und intellektuelle Gerüste aneignen zu müssen - das Konzept scheint Pause zu machen.

Ein Vakuum erkennt Kramer auch bei den Themen: Zur Politik wurde 2002 kaum Stellung genommen, die Künstlergeneration nach den "Achtundsechzigern" hält sich zurück. "Mit dem Irak-Krieg passiert auch in der Kunst erstmals wieder eine verstärkte Reflexion". Lassen sich die stilistischen Trends der letzten Zeit zusammenfassen? "Sinnlich, klar und dekorativ", so Kramer. Seine Insider-Tipps für Sammler: Holzskulpturen von Karin Frank, Foto- und Videokünstler Hubert Blanz, Zeichnerin Laetitia Werth. Die Preise der gezeigten Werke bewegen sich zwischen 200 und 5000 Euro.



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