Galerien
Es war die Nacktigeil
(cai) Wieso heißt die
Ausstellung "Hitler, Stalin & Sex in Ägypten"? Na ja, wenn der Titel
lauten würde: "Gandhi, der Dalai Lama & Teetrinken in England",
würd’ sich das doch kein Schwein anschauen. Und die Leut’ wären
obendrein ziemlich irritiert. ("Aha, Teetrinken nennt man das
jetzt.") Außerdem geht’s um den Otto Muehl, und der war bekanntlich
nicht sieben Jahre in Tibet, sondern sieben Jahre im Häf’n. Da erwartet
man sich zum 85er halt schon was Deftigeres. Ich persönlich hatte vorm
Betreten der Galerie Krinzinger ja diverseste Vorahnungen (Tschuldigung:
nicht "di", sondern "per"). Eine wüste Orgie vor den Pyramiden. Mit
Napoleon, ein paar Kamelen und der Mumie von Ramses II. Ich hab sogar
mit zwei Diktatoren gerechnet, die Unkeusches miteinander tun (und
darunter stünde "H & S vollziehen den H-S-Pakt").
Drum war ich dann sehr enttäuscht. Hm, der Hitler begrapscht also
seine Eva (na und?), Stalin zeigt uns nicht einmal seinen Stinkefinger
und zwei anonyme Ägypter kopulieren. Und alles (von 1984) im billigsten
Pop-Stil. Tja, die Erektionen und Brüste sind ja willig, doch die
Malerei ist schlaff. Der Muehl kann provozieren , aber eben
nicht malen. Seine Materialaktionen regen auch keinen mehr auf. So was
ist heute Standard. Im Regietheater. Wie in der "Versumpfung einer
Venus" könnte locker Schillers Johanna von Orléans enden: nicht
verbrennen, sondern versumpfen. Und "Mama und Papa"? Pf, die Liebesszene
zwischen Romeo und Julia. (Es war die Nacktigeil und nicht die Lerche.)
Ex-Kommunarde Theo Altenberg steuert Fotos von den Selbstdarstellungen
bei (von diesem therapeutischen Exhibitionismus im Friedrichshof). Und
vermeintlich biedere Stickereien: Wortteile, die,
vereint,potenteBotschaftenverbreitenwie "Supersamen" oder "massive
Liebe". Das einzige Sterndl, das die Ausstellung kriegt, gehört übrigens
Altenbergs Mutter. Weil sie die Buchstaben so sauber gestickt hat.
Galerie Krinzinger
Seilerstätte 16, 1010 Wien
Otto
Muehl, Theo Altenberg, bis 10. Juli
Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr, Sa.: 11 –
16 Uhr
Voll in die Windel
(cai) Wäre ich eine
Kindergartenpsychologin und die Mutter eines der Kinder würde solche
Tuschezeichnungen anfertigen wie Sevda Chkoutova, müsst’ mich das sicher
beunruhigen. Denn da braucht jemand eindeutig Hilfe, auf jeden Fall
einen Babysitter und eine Putzfrau. Überall rinnt und trieft es wie bei
einem Volle-Windel-Massaker. Ein monströser Säugling zutzelt die Mama
aus, die sich ab und zu einen Kübel drüberstülpt und innerlich
emigriert. Sie rasiert sich die Beine und Achseln nicht mehr (die völlig
verwilderte Mater dolorosa), alles hängt und schwabbelt und ein
Teddybär hat Nasenbluten. Die Wände der Galerie Chobot sind voll mit
diesen grotesken Szenen eines Muttyriums, äh: Mar tyriums.
Viel Geschmiere, doch dazwischen: virtuosere Kritzeleien.
Beeindruckender ist aber Chkoutovas Umgang mit dem Bleistift.
Galerie Chobot
Domgasse 6, 1010 Wien
Sevda
Chkoutova: "24 h", bis 7. Juli
Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 16
Uhr
Bis die Ohren verrutschen
(cai) Barack Obama ist seit der
Ölpest eh nimmer der Retter der Welt, aber wie hätte Josephine Scianna
das ahnen sollen, als sie die geradezu religiöse Ekstase nach seinem
Wahlsieg gemalt hat? Der Pinsel ist halt langsamer als das Internet. Ja,
ihr vereinfachter Realismus ist süffig. Doch irgendwas stört da oft.
Ein unwirkliches Plastilingesicht oder eine anatomische Unsicherheit.
(Beim Picasso würden sich natürlich nur Banausen aufregen:
He, das Ohr ist nicht korrekt!)
Galerie Frey
Gluckgasse 3, 1010 Wien
Josephine
Scianna: "We Have Overcome", bis 10. Juli
Mo. – Fr.: 11 – 19 Uhr,
Sa.: 10 – 16 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 23. Juni 2010
Online
seit: Dienstag, 22. Juni 2010 16:55:00
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