Seht, welch ein Schnitzel!
![Aufzählung Aufzählung](00084167-Dateien/wzfeld.gif)
(cai) Zur Einstimmung ein klassisches Zitat. Von wem stammt wohl "Er
aber, sag’s ihm, er kann mich im A. l."? Äh, da hab ich mich jetzt
verschrieben. Es sollte heißen: "Der Staat greift auch nach
deinem Glied!" Hm. Marquis de Sade? Falsch! (Der hätte ja eher formuliert: "Der Staat greift auch dir auf den
Hintern .")
Nein, der Spruch ist von Günter Brus. Aus seinem "Patent merde", wo er
die traumatischen Folgen der Aktion "Kunst und Revolution" vom 7. Juni
1968 verarbeitet hat (etwa seine Untersuchungshaft, unter anderem wegen
"Wiederholungsgefahr").
Mit den Fotos, Filmen, Skizzen und sonstigen Dokumenten aus der
Sammlung Konzett kann man sich derzeit im WestLicht das deftige Treiben
der Wiener Aktionisten selber rekonstruieren. Die Materialien sind
sprechend genug, auch ohne erklärende Texte entsteht ein lebendiger
Eindruck vom Geist der 60er Jahre. Und der Schmerzensmann Brus, der
Radikal-Verarzter Schwarzkogler, der Sudel-Orgiast Muehl und der
Blut-und-Ekel-Priester Nitsch sind immerhin mit dafür verantwortlich,
dass sich die Kunst heute verdammt schwertut, noch jemanden zu
schockieren. Eine didaktisch wertvolle Schau.
Die Aktionen sind vielfach nur für den Fotografen (etwa Ludwig
Hoffenreich) inszeniert worden. Wenn Rudolf Schwarzkogler aus Heinz
Cibulka einen Medizinmärtyrer macht oder Brus mit großem
Ecce-Homo-Pathos (Sehet, welch ein Mensch!) den eigenen Körper
"analysiert", sind das geradezu Andachtsbilder. Ikonen des Leidens. Die
Schriften der Aktionisten sind oft tragikomisch. Otto Muehl
beschreibt detailliert, wie er ein Gesäß paniert. Ähm, was hat der Brus
eigentlich anno 1968 im Hörsaal 1 angestellt (bei der
"Uni-Ferkelei" mit Muehl und Oswald Wiener), dass die Polizei ihn
verhaftet und die Presse ihn "Kackademiker" genannt hat? Ah, da steht’s
eh: "Während er die österreichische Bundeshymne anstimmt, zeigt er den
Vorgang der analen Ausscheidung (usw.)." Okay, das war unpatriotisch.
Regentropfen zählen
(cai)In London muss dieselbe hohe Luftfeuchtigkeit herrschen wie in
diesem waschelnassen Witz: "He, du warst doch zwei Wochen auf Urlaub.
Hat’s dort auch so oft geregnet wie hier?" – "Nein, nur zweimal. Zuerst
eine Woche und dann sieben Tage." Und seit fünf Jahren regnet es halt
in London durch . Sonst hätte Stephen Skidmore doch
zwischendurch auch ein anderes Motiv gemalt als die verwaschene
Aussicht aus seinem Fenster. Andererseits sind seine ganze Ausbeute
angeblich bloß die 32 handlichen Bilder, die in der Galerie Winter
hängen. Macht 6,4 pro Jahr. Aber auf die Menge kommt’s ja nicht an.
Einmal zählt er förmlich die Tropfen, dann wieder sorgt das Regenwasser
für sentimental zerrinnende "Hinterglas-Aquarelle". Dass alles irgendwo
zwischen Actionpainting und Schlechtwetter-Romantik schwebt, macht den
Reiz der "Variationen zu einem feuchten Thema" aus.
Bilder pflückt man eben
(cai)Man kann beim Herumspazieren Blumen pflücken, aber genauso gut Bilder mitgehen lassen. Na ja, mit dem Fotoapparat .
Hans Klestorfer hat ein Auge für den perfekten, gepflegten Ausschnitt.
Sichtlich mag er geordnete Verhältnisse, strenge, ruhige Kompositionen
mit dezent morbider Stimmung. Ein mit Brettern verschlossenes Fenster
wird zum abstrakten roten Quadrat auf schmutziggrauem Grund, ein
verschneiter Wald ist eine malerische Harmonie in Weiß. Und sollte der
Horizont einmal schief in der Landschaft hängen, Klestorfer tät’ ihn
sicher geraderichten.
WestLicht
(Westbahnstraße 40) Der chirurgische Blick Bis 22. März Di., Mi., Fr.: 14 –19 Uhr Do.: 14 – 21 Uhr Sa., So.: 11 – 19 Uhr
Galerie Hubert Winter
(Breite Gasse 17) Stephen Skidmore Bis 7. März Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr Sa.: 11 – 14 Uhr
Galerie Gans
(Kirchberggasse 4) Hans Klestorfer Bis 14. März Di. – Fr.: 12 – 18 Uhr Sa.: 12 – 15 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 25. Februar 2009
Kommentar senden:
* Kommentare werden nicht automatisch
veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen.
Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in
der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer
nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird
online nicht veröffentlicht.