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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
29. August 2006
16:00 MESZ
Entschuldigungschreiben zu Weimar-Eklat
Weiter Kritik an Erinnerungspolitik des deutschen Kulturstaatsministers Neumann

Berlin - Deutschlands Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) hat den Eklat zur Eröffnung des Kunstfestes Weimar am vergangenen Freitag bedauert. "Ich bedaure außerordentlich die durch die Rede meines Abteilungsleiters Hermann Schäfer ausgelösten politischen Missverständnisse und Beeinträchtigungen der Eröffnungsveranstaltung des Kunstfestes Weimar", teilte Neumann am Dienstag in einer Erklärung in Berlin mit. "Hermann Schäfer hat sich dafür entschuldigt", betonte Neumann.

Daraus jedoch eine inhaltliche Veränderung der Gedenkstättenpolitik des Bundes im Hinblick auf die Bewertung und Aufarbeitung der NS-Diktatur abzuleiten, sei "völlig abwegig", sagte der Staatsminister. "Hier steht die Bundesregierung in der Kontinuität aller Vorgängerregierungen. Die NS-Diktatur und der durch sie verursachte Holocaust sind in ihrer Menschen verachtenden, grausamen Dimension einzigartig und durch nichts zu relativieren."

Mangel an politischem Instinkt

Die SPD-Obfrau im Bundestagskulturausschuss, Monika Griefahn, hat unterdessen Hermann als stellvertretenden Kulturstaatsminister zum Rücktritt aufgefordert. "Wenn er ein bisschen Anstand hat, gibt er sowohl Amt als auch Professorentitel zurück", sagte Griefahn am Dienstag im Inforadio des RBB.

Der Historiker Reinhard Rürup warf Schäfer im Deutschlandradio Kultur einen "Mangel an politischem Instinkt" vor, auch wenn er sicherlich nicht habe provozieren wollen. Schäfer habe aber den Eindruck erweckt, als gehe es ihm um eine Akzentverschiebung in der deutschen Erinnerungskultur. "Wenn das der Fall ist, dann ist in der Tat eine große öffentliche Diskussion erforderlich."

Schäfer wird vorgeworfen, am Freitag zu Beginn eines den Opfern des Konzentrationslagers Buchenwald gewidmeten Konzerts vor allem über Flucht und Vertreibung der Deutschen gesprochen zu haben, ohne auf die Opfer des KZs einzugehen. "Ich wusste nicht, dass in den ersten Reihen auch KZ-Opfer sitzen. Das tut mir Leid, und ich entschuldige mich auch dafür", sagte Schäfer am Montagabend im 3sat-Magazin "Kulturzeit". Er hätte die KZ-Opfer stärker in seine Rede einbinden müssen, habe jedoch die Vorgabe gehabt, über Erinnerungspolitik im Allgemeinen zu sprechen. "Aber es liegt mir fern, Opfer zu relativieren." (APA/dpa)


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