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Der Weltverstärker: Zum Tod von Jason Rhoades

Von Niklas Maak


Jason Rhoades 1999 bei der Arbeit an "Perfect World"
02. August 2006 
Man hatte, als die Nachricht eintraf, noch gehofft, daß es sich um einen schlechten Spaß handelt, um einen Sommerschock dieses Künstlers, der das Abgründige und das Monströse auf eine sehr kalifornische Weise liebte - aber dann, als auch seine Galerie Hauser & Wirth in Zürich und sein Hamburger Sammler Harald Falckenberg die Meldung bestätigten, wurde der plötzliche Tod des erst 41 Jahre alten Künstlers Jason Rhoades zu einer traurigen Gewißheit. Der 1965 als Sohn kalifornischer Farmer geborene Künstler ist, wie Marc Payot von der Galerie Hauser & Wirth mitteilt, in der vorvergangenen Nacht am Ende einer Party an Herzversagen gestorben.

Der Exzeß war Teil seines Werkes. Seine gigantischen Skulpturen wirkten wie Echos auf das wilde, ordinäre Formen- und Begriffsarsenal der Popkultur, und wenn die Kunstwerke von Rhoades etwas verband, dann waren es ihre Größe, ihre Entschlossenheit und ihre Lautstärke: Unter einer Fabrikhalle tat es Jason Rhoades ungern, und in der Halle mußte es fetzen und krachen und donnern; seine Kunst war - um im Bild des Autofans Rhoades zu bleiben - der Straßenkreuzer der amerikanischen Kunst, und zwar ein Straßenkreuzer, in dem Musik von Slayer lief. Und wie die Straßenkreuzer selbst waren auch Rhoades' Kunstwerke ins Monströse gesteigerte amerikanische Träume.

Wüste Liebestempel

Was nicht heißt, daß es keine subtilen Töne in seinem Werk gäbe: In Frankfurt ließ Rhoades vor fünf Jahren uniformierte Mädchen antreten, die in einer nachgebauten Konservenfabrik Gläser mit Gemüse abfüllen mußten, das zuvor „mit Kevin-Costner-Filmen bestrahlt“ worden war. Wie sein langjähriger Freund Paul McCarthy entwickelte Rhoades aus dem Schrott der Popkultur eine Poesie des Derben. Er polterte mit einer kalifornischen Gutgelauntheit gegen sämtliche Fanatismen an, stellte den Schweizern eine reichlich ordinäre „Muschi-Moschee“ in ihre heile Bergwelt und errichtete zahlreiche andere wüste Liebestempel.

Vor allem aber war Rhoades ein großer Utopiker, einer, der das von den postmodernen Sophisten ausgerufene „Ende der großen Entwürfe“ nicht akzeptieren wollte. Er erfand neue Baumaterialien, zum Beispiel den „PreRoeFoam“, ein seltsames Gemenge aus Erbsen, Lachseiern und Styropor, und in Hamburg baute er ein Werk, das „The Perfect World“ hieß und die mit Abstand monströseste Skulptur der neueren Kunstgeschichte war.

Die gesamte südliche Deichtorhalle hatte Rhoades mit einem tonnenschweren Labyrinth aus Baugerüsten gefüllt, und das Ergebnis war reiner Existenzialismus: ein schönes, stahlglänzendes Provisorium, ein technischer Dschungel und ein Paradiesgarten des mechanischen Zeitalters. Es war ein Werk, das von der Freiheit der reinen Form erzählte, vom ausgekoppelten Sinn, denn das Gerüst diente keinem Zweck, keinem Bau, es war nur da, herumgebaut um etwas, das es nicht gab und nie geben sollte; eine schönere U-Topie war selten zu begehen. Jason Rhoades, der immer für jede Party zu haben war, wird der Welt in diesen utopiefreien, blaßgemalten Zeiten fehlen.

Text: F.A.Z., 03.08.2006, Nr. 178 / Seite 34
Bildmaterial: picture-alliance / dpa
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