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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
28.01.2004
19:25 MEZ
Die Kunstszene als Mayonnaise
Jour fixe im Grazer Kunsthaus mit der Zürcher Kuratorin Curiger

Graz - Bice Curiger, Chefredakteurin des Schweizer Magazins Parkett, das vor zwanzig Jahren als Brücke zwischen europäischer und amerikanischer zeitgenössischer Kunst gegründet wurde, und seither hohe Qualität auf Basis von Mitarbeiter-Selbstausbeutung bietet, war der Gast des dritten Jour fixe im Grazer Kunsthaus. Der Hausherr der blauen Blase, Peter Pakesch, und STANDARD-Chefredakteur Gerfried Sperl sprachen vor geladenen Gästen mit Curiger über die Entwicklung der Kunstmetropole Zürich. Die Zürcher Kunstszene gilt in der Schweiz als lebendiger, wilder Gegenpol zum kultivierten Basel und hat sich in den letzten zehn Jahren zum Fixpunkt für internationale Kunst gemausert. Was Graz, das an seinem Erbe als ehemalige Kulturhauptstadt zu wachsen versucht, davon lernen kann, wurde erörtert.

Sperl wies auf die spitzzüngige Verhöhnung der Mur-Metropole hin, die Franz Schuh in der aktuellen Ausgabe der Literaturen zum Besten gab. Schuh wundert sich dort über den Grazer VP-Bürgermeister Siegfried Nagl, der Ende des Vorjahres mit der Idee schwanger ging, in "seiner" Stadt eine "Moderatoren-Akademie" zu installieren, auf der Thomas Gottschalk als Professor lehren sollte. Ob das die Zukunft der ehemaligen Kulturhauptstadt sei? Wohl eher nicht - darin waren sich am Podium und im Publikum alle einig.

Frühförderung

"Es gibt kein Rezept dafür, dass die Mayonnaise stimmt. Das hängt von Beiträgen vieler Einzelkünstler ab", so Curiger, "aber in der Schweiz wird die Kultur stark gefördert, und den Künstlern werden schon früh Stipendien gegeben."

Dabei sei die Schweiz nicht nur mit kantonalen und eidgenössischen Förderungen, sondern auch mit vielen privaten Stiftungen gesegnet, die großzügig gerade auch unbekanntere, junge Künstler unterstützen. Pakesch, der selbst Direktor der Kunsthalle Basel war, wies auch darauf hin, dass es seit den 80ern "nirgends in Europa eine solche Dichte an Ausstellungen gab" wie in der Schweiz.

Ein öffentlicher Diskurs über Gegenwartskunst fehlt für Curiger aber in ganz Europa. Außerdem werde nach wie vor zu lange gewartet, bis eine Kunstrichtung tatsächlich "universitätsfähig" wird. Curiger, sich erinnernd: "Als ich studierte, hörte Kunstgeschichte mit Cézanne auf, heute mit der Pop-Art." (cms, DER STANDARD, Printausgabe vom 29.1.2004)


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