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Von den Tücken der Pose

Die Möglichkeiten des menschlichen Körpers als ästhetisches und soziales Zeichen sind längst von Werbung und Politik erkannt und genützt.

ST. JOHANN. Modemagazine diktieren seit ihrer Erfindung ein Körperideal, das sich immer auch sozial definiert. Ästhetisch abweichende Modelle und Posen haben in diesem Wertesystem keinen Platz. Die von Julia Wallnöfer kuratierte Ausstellung an öffentlichen Orten in der touristisch geprägten Marktgemeinde St. Johann setzt gegen die ästhetische Dominanz des Körperbildes der Werbung.

Populärkultur

Die ausgewählten Künstler und Künstlerinnen beziehen sich in ihren Arbeiten auf die Populärkultur, inbesondere auf aktuelle Modemagazine und dem darin inszenierten Frauenbild. Dabei greifen sie Strategien der Modefotografie auf, kopieren oder ironisieren sie.

Besonders pointiert tut dies Anna Jermolaewa, die in ihrem Video die weiblich-visuelle Verführung bei Autopräsentationen umkehrt und einen roten Porsche den weiblichen Körper betonen lässt. Hier werden nicht nur Bilder verdreht, sondern auch die Machtverhältnisse.

Am Bahnhof haben Grzeszykowska/Smaga eine Fotoserie polnischer Jugendlicher vom Warschauer Bahnhof installiert, um auf diese Weise auf einen anderen Ort und dessen soziale Konnotation zu verweisen.

Robert Gfader bezieht sich mit einer ortsbezogenen Arbeit im Hallenbad auf die stets wasserfeste Wimperntusche in den James Bond-Filmen und behauptet das Gegenteil. Mit der Ästhetik der Modefotografie arbeiten Günter Kresser und die Berliner Fotografin Katharina Mouritadi.

Inszenierte Fotos

Toni Kittis schrille Fotoserie thematisiert den Umgang mit Sexualität und Körper am Beispiel einer Transsexuellen und Andrea Zeitler setzt sich in inszenierten Fotos mit Pinup-Posen verschiedener Frauenbilder- und rollen auseinander. Als kunstgeschichtlicher Referenzpunkt gilt die bereits 1973 entstandene Arbeit "Hyperbulie" von Valie Export.

Deshalb und wegen der unterschiedlichen Ansätze aktueller Kunst zum Thema des " Einverleibten Korsetts" sollte Mann/Frau einmal nach St. Johann fahren. Nur vom Leben gezeichnete Männer kommen in Men´s Health auch nicht vor. Vielleicht in einer nächsten Ausstellung.

Kunstgespräche, Führungen, Filme und ein Vortrag von Claudia von Werlhof am 4. Oktober führen den Diskurs der Künstler und Künstlerinnen fort.
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Landwirtschaftliche Lehranstalt, Bahnhof, Sparkasse, Panorama Badewelt, Alte Gerberei, Fassade Innsbrucker Straße 77, St. Johann; bis 19. Oktober
2003-10-07 15:54:31