Stuntglas: Der performative Aspekt, den das höchst zerbrechliche Glas beinhaltet, interessiert Sonia Leimer.
Wien - "Man konnte sich der Skulptur von verschiedenen Standpunkten aus nähern. Die aus drei offenen Ringen kreisförmig arrangierte Arbeit war Teil einer Serie, die sich mit limitierten und ,fragilen' Materialien beschäftigte", beschreibt der heute nahezu unbekannte Künstler Rudolph Heintze seine Skulptur Locations in einem Brief an Sonia Leimer.
Es ist eine Arbeit von 1977 für den öffentlichen Raum Washingtons, die irgendwann "überflüssig" wurde. Es existieren auch keine Fotos von Locations. Einzig Zeichnungen und Modelle im Smithsonian Institute belegen, dass sie einmal existiert hat. Abgebaut und transferiert von der General Services Administration GSA, einer Art Hausmeister-Abteilung der US-Verwaltung, fristen ihre Teile nun in einem Open-Air-Depot ihr vor sich hinrostendes Dasein. In der Bawag Contemporary dokumentiert Sonia Leimer (1977 in Meran geboren) dieses vom Kreischen einer Flex untermalte Ruhen per Video.
Der Stapel von Stahlplatten und Metallstangen birgt allerdings ein interessantes Detail: Hier lagern nicht nur die Bestandteile von Locations inklusive des sie betitelnden Schildes, sondern - für das Auge ununterscheidbar - auch die Einzelteile einer anderen, weitaus berühmteren Arbeit: Richard Serras 1989 nach langen Debatten demontierte Stahlskulptur Tilted Arc: also jener mehr als 36 Meter lange, monumentale Schwung, der einst die Federal Plaza in New York durchzog.
Was ist das nun, scheint Leimer zu fragen, indem sie den beiden jetzt visuell verschmolzenen, einst eigenständigen Arbeiten eine gemeinsame Repräsentationsebene gibt: Sie spannt das Video gemeinsam mit dem Brief Heintzes und einer sich krümmenden Wand zu einem Raumobjekt zusammen, transferiert die verlorenen Objekte zu etwas Neuem: einer eigenen Arbeit.
Kann Kunst einfach so eingelagert und archiviert werden, behält sie ihre Aura (Walter Benjamin), oder hat sie den Status als Kunstwerk aufgegeben, ist wieder zum Material geworden? Zum Material, aus dem irgendwann wieder Kunst werden könnte.
Das Brüchige, Labile, Instabile von Materialien und der ihnen innewohnende Faktor Zeit sind es, die die konzeptuell arbeitende und mit Aspekten der Minimal Art spielende Südtirolerin interessieren. Neither in motion nor at rest titelt Leimers kleine Soloshow (eine ihrer ersten) und diskutiert diesen Zwischenzustand von Materialien in unterschiedlichster Gestalt. Am unmittelbarsten geschieht das in der Installation On Location, die sehr direkt mit der vorhandenen Architektur spielt: Den Rhythmus der Fensteröffnungen überträgt Leimer auf ein Metallraster, das Crashglas einfasst. Ohne das Drumherum würde dieses, auch Stuntglas genannte Material sofort zerbersten. In ihm schlummert quasi seine eigene Zerstörung, eine Performance. Ein Moment von Aggression; im Dialog mit dem von Leimer als objet trouvé verwendeten Relikt eines anderen Kunstwerks - die von Golfbällen malträtierte Wand von Mike Bouchet - kommt er noch intensiver zum Ausdruck.
Die Bawag präsentiert alles andere als leichte Sommerkost, sondern Inhalte, auf die man sich einlassen muss. Anhaltspunkte versammelt der Katalog. (Anne Katrin Feßler/ DER STANDARD, Printausgabe, 15.7.2010)
Bis 25. 8.
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