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Kunstberichte
Der heimische Kunstmarkt war nie von Hypes geprägt und entwickelt sich langsam – ein Vorteil in der Krise?

Frischblut für den Kunstmarkt

Der Standort Wien als Umschlagplatz von Kunst wächst zwar langsam, aber stetig. Foto: Apa/Roland Schlager

Der Standort Wien als Umschlagplatz von Kunst wächst zwar langsam, aber stetig. Foto: Apa/Roland Schlager

Von Christof Habres

Aufzählung Am Donnerstag wird die Viennafair auf dem Messegelände eröffnet.
Aufzählung 112 Galerien und Kunsthändler buhlen um Käuferschaft.
Aufzählung Betrachtungen zum heimischen Kunstmarkt.

Wien.Vor zwei Wochen schaffte es der österreichische Kunstmarkt in die internationalen Schlagzeilen. Ein Ereignis, das nicht häufig vorkommt. Eine Auktion im Wiener Dorotheum sorgte für Aufsehen: Ein wiederentdecktes Tafelbild des Malers Frans Francken II brachte statt der geschätzten 500.000 Euro den Rekorderlös von etwas mehr als sieben Millionen Euro. Ein Rekord nicht nur für das traditionsreiche Auktionshaus, sondern auch für den Standort Österreich (es ist das teuerste je hierzulande verkaufte Kunstwerk), und selbst europaweit ist es 2010 der beste Preis, der bei Auktionen erzielt wurde.

Plötzlich findet sich der heimische Kunstmarkt in der internationalen Presse wieder. Doch bleibt die Frage offen, ob diese Aufmerksamkeit nicht mehr ein Verdienst der Arbeit von Martin Böhm, dem Leiter des Auktionshauses, ist. Er hat in den letzten Jahren das Haus durch stetige Internationalisierung und Professionalisierung aus dem Dornröschenschlaf geweckt und das Bild des urwienerischen "Pfandl" vergessen gemacht.

Neue Sammlergeneration

Denn so reich Österreich auch an Kunstschätzen ist, die in Museen von der Pracht und dem Engagement eines Jahrhunderte langen Sammler- und Mäzenatentums zeugen, ist diese Tradition doch teilweise nach dem Ersten und fast gänzlich nach dem Zweiten Weltkrieg zum Erliegen gekommen, als die NS-Diktatur die großbürgerliche, jüdische Bevölkerung (natürlich nicht nur die) entweder vertrieb oder ermordete. Diesen Verlust spürt der heimische Kunstmarkt bis heute.

Es war hierzulande ungleich schwieriger, wieder aufgeschlossene, neugierige Sammlergenerationen zu etablieren, als es in Deutschland oder in der Schweiz gewesen ist. Es ist der Verdienst einiger Galeristen in den 70er Jahren, die herrschende Provinzialität zu durchbrechen und den Versuch zu wagen, mit avantgardistischen, zeitgenössischen Positionen an das Bewusstsein und Portemonnaie potenzieller Sammler zu appellieren. Die Galeristinnen Ursula Krinzinger, Rosemarie Schwarzwälder und Grita Insam oder der Galerist Hubert Winter sind zu erwähnen, auch deshalb, weil sie es geschafft haben, am nationalen und internationalen Kunstmarkt prominent vertreten zu sein. Doch es dauerte bis Ende der 1990er Jahre, bis man davon sprechen konnte, dass es in Wien eine junge, vielfältige, lebendige Kunst- und Galerienszene gibt, die auch außerhalb der Grenzen Beachtung findet und Käufer anzieht.

Galerien wie Dana Charkasi, layr:wüstenhagen, Mezzanin, Kerstin Engholm, Martin Janda, Andreas Huber, Karol Winiarzyk oder – quasi der Primus inter pares – Amer Abbas sorgen für frischen Wind und internationale Reputation. "In Österreichs Hauptstadt, so will es scheinen, hat der sprichwörtliche Wiener Charme auch die jüngsten Krisen überlebt. Hier herrscht nicht die angestrengte Hipness von Berlin, nicht der geschäftige Buzz von New York. Wenn etwa die Galerien zeitgleich eröffnen, ist die Zahl der Besucher überschaubar, das Tempo gemächlich. Der Kunstmarkt entwickelt sich dementsprechend – stetig, aber auch langsam", attestiert die US-amerikanische Journalistin Kimberly Bradley der Stadt.

Unterstützung für den Standort kommt oft von der Stadtregierung, quasi als Fortführung monarchistischen Mäzenatentums. Diese investiert noch immer in Neubauten von Museen und Kunsthallen, die öffentliche Hand kauft Arbeiten an, wo diese Budgetposten in anderen Metropolen gekürzt oder ganz gestrichen wurden. Auch die Implementierung des Creative-Industries Förderers departure brachte Geld und frischen Wind für Designer, Musiker und Galerien, die sich mit ausgefeilten Konzepten bewerben können und diese dann von departure subventioniert werden. Nichtsdestoweniger machen die meisten professionell organisierten Galerien ihren Hauptumsatz eher bei internationalen Kunstmessen als bei heimischen Sammlungen und Sammlern.

Im Bereich von Unternehmenssammlungen, die meist auch ein wichtiger Indikator für den Kunstmarkt eines Landes sind, ist im Laufe der letzten Jahre eine positive Entwicklung zu verzeichnen. War für viele Firmen des Landes lange Jahre das Sammeln von zeitgenössischer Kunst eher ein fremder Planet und das Sport-Sponsoring wesentlich bedeutender, gibt es nun doch einige Sammlungen von hohem künstlerischen Stellenwert, die auch international wahrgenommen werden.

Allen voran sind Agnes und Karlheinz Essl zu erwähnen, die abseits ihrer umfangreichen Sammlung auch ein sehenswertes Museum in Klosterneuburg eröffnet haben und mit der Ausstellungsserie "Austria contemporary" jungen Künstlern – oft erstmals – ein Museum als Ausstellungsplattform bieten. Andere engagierte Unternehmen und Unternehmer mit relevanten Sammlungen sind Herbert Liaunig, die Bawag, die Erste Bank mit ihrem Schwerpunkt auf Osteuropa, der Verbund, die kleine, feine Sammlung des Finanzdienstleisters FTC von Eduard Pomeranz und die EVN, die eine beispielhafte zeitgenössische Sammlung ihr Eigen nennt. Der Energiekonzern hat es mit einem relativ – international gesehen – kleinem Budget, aber mit einem sehr gut besetztem Beirat, rund um den Galeristen Georg Kargl, geschafft, mit seinen Ankäufen international wahrgenommen zu werden, und viele Werke werden schon an Museen und Kunsthallen für Ausstellungen verliehen.

Dass auch bei Unternehmenssammlungen die Finanzkrise nicht Halt macht, zeigt das Beispiel der Kommunalkredit deutlich. Für die Bank war unter dem langjährigen Vorstand Reinhard Platzer der Ankauf von Kunst (meist österreichische Zeitgenossen) ein fixer Bestandteil des Budgets. Dann kam die Bank ins Trudeln, wurde für einen Euro verkauft, und seitdem ist von Sammlungsaktivitäten nichts mehr zu vernehmen. Die Befürchtungen gehen jedoch in eine andere Richtung: Der österreichische Kunstmarkt hofft, dass die umfangreiche Sammlung – wie es in den USA bei Konzern-Umstrukturierungen Usus ist – demnächst nicht in einer Auktion auf den Markt geworfen wird. In Krisenzeiten und angesichts der Größe des österreichischen Markts wäre das für einige Galerien und vor allem Künstler sehr schädlich. Eine solche Auktion käme wahrscheinlich einem Offenbarungseid der heimischen Kunst-, Sammler- und Galerienszene gleich.

Die Idee, eine internationale Kunstmesse in Wien zu organisieren, war ein richtiger und wichtiger Schritt, denn die heimische Sammlerlandschaft kann durch den Kontakt mit ausländischen Galerien und Kunstkäufern aufgefrischt werden und in Austausch treten. Eine Frischblutinjektion für den heimischen Kunstmarkt. Das Engagement, dass der Messeleiter Edek Bartz und sein Team an den Tag legen, ist bemerkenswert. Nur wurden schon vor der ersten Ausgabe der Viennafair einige Dinge – um es euphemistisch auszudrücken – übersehen, die essentiell sind, um eine Kunstmesse am globalen Parkett zu etablieren. Vor allem, wenn international ausgerichtete Galerien die Möglichkeit haben, fast jede Woche im Frühjahr oder in der Herbst/Winter-Saison bei einer Kunstmesse teilzunehmen. Alleine in den Wochen um die Wiener Kunstmesse gibt es interessante in Mexico City, Köln, Brüssel, Chicago und Athen. Da müssen Messen von ihrem Grundkonzept einiges bieten, damit sich renommierte Galerien als Zugpferde für kaufkräftige Sammler überhaupt bewerben.

Standort-Investitionen

Bei der Viennafair kann man geteilter Meinung sein, wie sinnvoll es war, sich in einer Zeit noch den Fokus CEE (Central and Eastern Europe) zu geben, als die meisten der angesprochenen Ländern schon in der EU oder kurz davor waren. Außerdem stellen auch viele andere Kunstmessen jungen Galerien günstige Stände als Starthilfe zur Verfügung. Das größte Versäumnis jedoch war, an einem Strick zu ziehen, Zusammenarbeit vor Konkurrenzdenken zu stellen. Was bedeutet, dass es allen Beteiligten (die Messe, den Organisatoren, den Sponsoren und auch den Galerien) klar sein sollte, dass in den ersten vier bis fünf Jahren in den Standort investiert werden muss. Danach kann man erst damit rechnen, ein Renommee zu haben, das dafür sorgt, dass die Verkäufe und Kontakte stimmen und über die Umwegrentabilität auch für die Stadt und ihre Kunstszene etwas hängen bleibt.

Aber Wien ist anders. Da arbeiten anfangs Bund und Stadt nicht miteinander. In Wien weigern sich einzelne Galerienviertel, bei der Messe anzumelden, weil ein anderes Viertel zu viel Macht im Messebeirat hat. Wenn dieses Klüngeldenken nicht überwunden wird, dann wird es auch schwer sein – abseits aller lobenswerten Bemühungen –, einen lebendigeren, investitionswilligeren Kunstmarkt in diesem Land zu etablieren.

Aufzählung Termine

Die Viennafair wird heute, Mittwoch Abend, offiziell eröffnet. Ab Donnerstag ist die Messe dann für Publikum zugänglich. Auf dem Gelände der Messe Wien sind von 6. bis 9. Mai 112 Galerien fix dabei, 33 davon aus dem CEE-Raum und 43 aus Österreich.

Am Donnerstag öffnet die Messe von 12 bis 19 Uhr, Freitag 12 bis 21 Uhr, Samstag 11 bis 19 Uhr und Sonntag 11 bis 18 Uhr. Das Online-Ticket kostet 11 Euro, an der Tageskasse 16 Euro. http://www.viennafair.at

Printausgabe vom Mittwoch, 05. Mai 2010
Online seit: Dienstag, 04. Mai 2010 18:01:00

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