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Kultur 

Zeit der sinnlichen Genüsse

Künstler sind auf die Ventilfunktion nicht angewiesen, dennoch hat der Fasching Wert.

CHRISTA DIETRICH

christa.dietrich@vn.vol.at •72/501-225

Schwarzach (VN) " Angesichts des Todes werden die sinnlichen Genüsse erst wertvoll" , erklärt der Bregenzer Kunsthistoriker und Kunstvermittler Rudolf Sagmeister. Deshalb sei es nicht verwunderlich, dass der Tod bei Karnevalsumzügen - wie auch am Sonntag in Bregenz - immer dabei ist, dass Totenmasken oder Abbildungen des Todes, wie schaurig auch immer, ein fixer Bestandteil des Faschings sind. In vielen Ländern, wie man feststellen kann. Auch beim diesjährigen Karneval in Rio, der ob der Opulenz, der Freizügigkeit und der Freude am menschlichen Körper die Massen anzieht, wurde auf einem Wagen auf sehr drastische Weise das Sterben, der Weg des Irdischen, dargestellt.

Kunst und Karneval

Kunst und Karneval waren einst stärker miteinander verbunden als es sich heutzutage zumindest bei uns zeigt. Erinnert sei an den Karneval in Venedig oder an legendäre, anarchische Künstlerfeste der Jahrhundertwende. Sagmeister sieht den Fasching aber immer noch im Zusammenhang mit einem kollektiven Erlebnis. " Menschen, die es sich ansonsten vielleicht gar nicht zutrauen, können ihre Kreativität ausleben und sollten das auch tun."

Dagmar Bautz, Geschäftsführerin des Amateurtheaterverbandes, hat mit der organisierten Fröhlichkeit, die sich beim Fasching heutzutage zeigt, nichts am Hut. Sie hat aber Hochachtung vor der kreativen Leistung, die die Leute etwa beim Herstellen von Masken und Kostümen erbringen. Die Ventilfunktion des Karnevals habe sich, so bestätigen Künstler im Gespräch mit den " VN" , in unseren Breiten freilich erledigt. Und Künstler erlauben sich sowieso zu sagen was Sache ist. Sagmeister hält es in Zeiten des Faschings aber für sinnvoll, daran zu erinnern, was es einst bedeutete, als man an wenigen Tagen endlich die Möglichkeit hatte, gegen Missstände bei Obrigkeit und Kirche aufzubegehren, ohne gleich den Kopf zu riskieren.

VN-UMFRAGE: Welches Verhältnis haben Sie zum Fasching?

Von der Tradition her ist der Fasching ein anarchistischer Akt und ein wichtiges Ventil. Heutzutage ist es eher ein Pseudoventil. Man lässt wohltemperiert die Sau raus. Wir haben die Verpflichtung, das ganze Jahr die Sau rauszulassen. Fellini hat gemeint, dass man der Realität unter den Rock schauen sollte. Hinter die Normalität zu blicken, ist ein wichtiger Vorgang.

MARTIN GRUBER REGISSEUR

Heute interessiert mich der Fasching nicht mehr. Als Kind hatte ich Spaß daran, als Jugendliche auch, weil es die Zeit war, in der man auf Aufriss gehen konnte. Als Theaterschaffende haben wir immer die Möglichkeit in andere Rollen zu schlüpfen, zu überprüfen, wie Beziehungen dann funktionieren. Als Theatermacher richten wir Themenfeste übrigens auch übers Jahr aus.

DAGMAR ULLMANN-BAUTZ AMATEURTHEATERVERBAND

Im Fasching konnte man sich früher gefahrlos über die Obrigkeit lustig machen. Nachdem die Gesellschaft liberaler geworden ist, ist der Druck heute nicht mehr so groß. Menschen, die sonst nicht kreativ sind, können aber Außergewöhnliches schaffen. Der Fasching bietet auch eine Möglichkeit, Vorlieben auszuleben. Künstler sind freilich emanzipierter und brauchen ihn in diesem Sinn nicht.

RUDOLF SAGMEISTER KUNSTVERMITTLER

Ich lasse mir nicht verordnen, zu bestimmten Zeiten gewisse Stimmungen zu haben. Die hohe Zeit der Künstlerfeste ist vorbei, die gab es etwa in München um und nach 1900. Inzwischen liegt der Fasching in Händen von Vereinen, ist organisiert und im Hintergrund an sich bierernst. Der Humor in meiner Kunst ist vielfach formaler Natur. Inhalte werden zugespitzt bis sie sich klarer zeigen.

LISA ALTHAUS BILDENDE KÜNSTLERIN

Unterbewusst gibt es sicher eine Querbeziehung zwischen jenen Masken, die ich schaffe und Faschingsmasken. Als Künstler nehme ich in Anspruch, stets zu sagen, was ich will. Es gilt, das Volk vor dem Einschlafen zu bewahren. Ich werde heute einen Toten auf der Bühne spielen und dann feiern. Der Karneval an sich steht aber auch ohne diesen Zufall nahe bei Leben und Tod.

TONE FINK BILDENDER KÜNSTLER

Freizügigkeit: Karnevalstänzerin in Portugal. (Fotos: AP, Sagmeister)

Tod beim Bregenzer Fasching.

Tod beim Karneval in Rio.




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