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Kunsthistorisches Museum: Umfassende Schau mit Werken von Francis Bacon (1909 bis 1992)

Werke unverhüllter Schrecklichkeit

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

300 Jahre Wiener Zeitung!Obwohl Francis Bacon durch Anregungen von Picasso seinen Weg zur Malerei fand, hielt er 85 Prozent der Bilder dieses Künstlers für schlecht, die gegenstandslose Malerei war für ihn reine Dekoration "lyrischer Gefühlchen" - er strebte mit postkubistischer Verzerrung eine Wirkung an, die direkt auf das Nervensystem abzielt. Für Jahrzehnte galt Francis Bacon, der Urenkel des rationalistischen Philosophen, als der beste und teuerste figurative Maler der Welt. Seine große, aus seiner Sicht, unerreichte Liebe galt Velázquez und dabei besonders dem sitzenden Bildnis von Papst Innozenz X.
Nun widmet das Kunsthistorische Museum dem Künstler eine erste große Retrospektive der "anderen" Art in Österreich: 40 seiner Werke aus bekannten Sammlungen und Privatbesitz werden unter dem Titel "Francis Bacon und die Bildtradition" älteren Künstlern, wie den von ihm so geliebten Velázquez und Rembrandt, aber auch Ingres, Tizian, Degas, Picasso, Soutine, Schiele, Giacometti und Filmen von Eisenstein und Buñuel gegenüber gestellt. Dazu sind die für ihn so wesentlichen Fotovorlagen und Skizzen aus seinem Atelier, das im Dubliner City Museum akribisch nachgebaut wurde, ausgestellt: Kuratorin Barbara Steffen orientierte sich in vielem an den Interviews, die Bacon zwischen 1962 und 1986 David Sylvester gegeben hatte, und gliederte in 16 Themen, von den Papstbildnissen über den Schrei als Motiv, die frühen surrealistischen Anfänge, die bislang wenig bekannt sind, den männliche Akt, Porträts, die so genannten "Käfige" um die Personen, die Maltechnik usw.
Das kunsthistorische Konzept funktioniert sehr gut in den seitlichen Kabinetten, nicht ganz geht die Hängung als Konfrontation der großen Triptychen neben den InfantInnenporträts oder Parmigianinos Selbstbildnis auf; das liegt vielleicht an den monumentalen Formaten und der Vehemenz der Bacons, möglicherweise aber auch am fehlenden Tageslicht und der musealen blaugrauen Wandbespannung, die für diese Malerei (trotz Bacons Vorliebe für Verglasung und alte Rahmung) ungeeignet ist. Auch die großartigen Papstporträts, die in einer erstaunlichen Anzahl vereint werden konnten, verlieren damit an Wirkung.

Superlative der Leihgaben

Von dieser Einschränkung abgesehen, ist es aber eine Schau der Superlative in Sachen Leihgaben: Viele Hauptwerke sind dadurch zu sehen - wie die dreiteilige Kreuzigung von 1962 ("Three Studies for a Crucifixion", Guggenheim Museum New York), "Ödipus und die Sphinx" (Lissabon, Mod. Museum), Porträts von Michel Leiris (Paris, Centre Pompidou), das ganzfigurige Porträt der Isabel Rawsthorne in den Straßen von Soho (Berlin, Neue Nationalgalerie) und drei herrliche Triptychen aus Schweizer Privatbesitz sowie der Rad fahrende Georg Dyer und ein weiteres Triptychon aus der Sammlung Beyeler in Basel-Riehen, die im Frühjahr die Schau aus Wien übernehmen wird. Auch die älteren Vergleichsbeispiele sind Leihgaben aus Philadelphia (Tizian), aus Zürich (Degas) oder New York (Giacomettis "Nase").

Die Bedeutung des Zufalls

Bacon wurde 1909 in Dublin geboren, er teilte - wie Michel Leiris feststellte - Zeitalter und sachliche Beobachtung der Verstörung des Menschen des 20. Jahrhunderts mit Samuel Beckett, und auch für ihn galt der Zufall mehr als festgelegte Ordnung. Er behauptet in seinen Interviews mit David Sylvester, er hätte immer ein Lächeln malen wollen, es sei ihm nur nicht gelungen: Der Blick in den zum Schrei geöffneten Mund beschäftigte ihn schon ab den vierziger Jahren, nachdem er vom Design avantgardistischer Stahlrohrmöbel und Teppiche zur Malerei wechselte. Anregungen aus Eisensteins "Panzerkreuzer Potemkin", einem medizinischen Buch mit Mundkrankheiten und Nicola Poussins "Bethlehemitischem Kindermord" führten von den "Drei Studien zu Figuren am Fuß einer Kreuzigung" (1944) zu den legendären Papstbildnissen der fünfziger Jahre. Heute ist bekannt, dass es noch viel mehr von diesen wunderbaren Paraphrasen zu Velázquez gab - zwei ganzfigurige Porträts mit, den Raum bestimmenden, vorhangartigen Streifen (aus dem Nachlass) sind besonders erstaunlich, da er angeblich ähnliche vernichtet haben soll.
Seine zornige Arbeitsweise mit Lappen, breiten Pinseln und Schleudern der Ölfarbe auf die oft mit Sand grundierten Leinwände, das Denken in Triptychen und Serien, die er aber auch einzeln gehängt und nicht als Erzählung sehen wollte, entsprach seinem Denken über das Leben als "Verfall". Dem "Toben" mit dem Pinsel entspricht der gnadenlose Blick auf den Menschen gleich einem Tier aus einem Fleischerladen (in der Schau auch durch Fotomaterial dokumentiert), einem Wesen nach der Apokalypse in Räumen voll von Zerrspiegeln, zerlegt, zerteilt, filetiert und blutend.
Seitdem Herbert Read die "Kreuzigung" von 1933 in seinem Buch "Art Now" als Weg unerforschter Bereiche organischer Formen entdeckt hatte, brach der Ruhm des spät berufenen Malers bis zu seinem plötzlichen Tod in Madrid 1992 nicht mehr ab. 1948

kaufte Direktor Barr für das MOMA New York das erste Bild, 1954 vertrat er England auf der Biennale Venedig, er war auf der Documenta II, III und VI in Kassel, Philosophen wie Deleuze und Leiris waren seine Autoren, nach den Retrospektiven in der Tate Gallery und allen besten Ausstellungshäusern der Welt galt er als größter englischer Maler seit Turner und bekam wie dieser einen eigenen Raum in der

Tate.
Künstler ohne Botschaft?
Elf Jahre nach seinem Tod stellt sich erneut die Frage, ob dieses Werk all die Lobeshymnen der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts verdient hat. Bacon, der behauptete, keine Botschaft zu haben, ist natürlich einer der Zeitzeugen der Schrecknisse des vergangenen Jahrhunderts geblieben; nicht umsonst malte er auch nach Propagandafotografien Hitlers und kennzeichnete manche seiner entstellten Männer mit Hakenkreuzbinden neben den geöffneten Kadavern wurmartig gekrümmter Christusgestalten nach Cimabue. Das Leben als Kampf (oft zwischen zwei Männern) und der Tod als sein Hauptthema beherrscht auch die Porträts seiner homosexuellen Partner wie George Dyer, der durch Tabletten- und Alkoholsucht im Hotel umkam: Bacon überlebte nicht nur seine Freunde, sondern auch der Tod seines Bruders in der Kindheit wirkte nach. Der Zustand der Unruhe, der Hysterie und der Neurose, die Einsamkeit sind neben der unverhüllten Schrecklichkeit seine zeitgemäßen Themen.
Es fällt schwer, sich dem gnadenlosen Blick dieses Künstlers zu entziehen, sein fuchshaftes Gesicht zu vergessen, das er, in Ermangelung von Modellen malerisch entstellte und als verabscheuungswürdig beschrieb - im Gegensatz dazu schildert er die Schönheit von Fleischerläden. Vieles in seinem Denken war auf Bewegung im Raum gerichtet; plastisch arbeiten wollte er dennoch nie. Die wenigen erhaltenen Skizzen aus seinem Nachlass (er selbst betonte immer, dass es keine Zeichnungen zu den Gemälden gab) weisen jedoch einmal mehr auf diese Begabung.
Ob ihm die Wiener Ausstellung, die Kuratorin Barbara Steffen mit Generaldirektor Seipel konzipierte, gefallen hätte? In ihrer genauen Analyse der von ihm hinterlassenen farbbespritzten Bücher und Fotos hätte er sich in seiner Sachlichkeit wohl sehr bestätigt gefühlt, ob allerdings Giacometti und Picasso, noch mehr Schiele und die alten Meister in Konfrontation nicht doch seinen gefürchteten Sarkasmus erregt hätten?

Erschienen am: 14.10.2003

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