Salzburger Nachrichten am 08. August 2003 - Bereich: kultur
Der Pädagoge Kokoschka

Vor 50 Jahren wurde in Salzburg "Die Schule des Sehens" gegründet. Eine Ausstellung dokumentiert Kokoschkas Wirken an der Sommerakademie.

WERNER THUSWALDNER

Die Geschichte der Internationalen Sommerakademie für bildende Kunst ist ergiebig, weil sie zeigt, wie sich die Stadt bemüht hat, au-ßer im Bereich der Musik auch noch auf einem anderen kulturellen Feld an Ansehen zu gewinnen. Dazu bedurfte es hartnäckiger Anstrengungen. Und der Anstoß kam wie immer bei großen Vorhaben in Salzburg von privater Seite. Der Salzburger Galerist Friedrich Welz hatte sich schon vor dem Zweiten Weltkrieg bemüht, ein Pendant zur Internationalen Sommerakademie für Musik im Bereich der bildenden Kunst zu etablieren. Nach dem Krieg setzte er seine Bemühungen fort. Es gelang ihm, Oskar Kokoschka für Salzburg zu interessieren - mit dem Ziel, Kokoschka zu bewegen, in Salzburg seinen Wohnsitz aufzuschlagen.

Spott für die Künstler der Abstraktion

Das Jubliäum des 50-jährigen Bestehens nützt die derzeitige Leiterin der Sommerakademie, Barbara Wally, dazu, um die Zeit der Gründung und die ersten zehn Jahre darzustellen. Es sind die fünfziger Jahre, auf die man von unserer Gegenwart aus einen neuen Blick wirft.

Kokoschka, der als Exponent des österreichischen Expressionismus vielerlei Anfeindungen ausgesetzt gewesen war und dessen Werk von den Nationalsozialisten als "entartete Kunst" eingestuft worden ist, floh nach Prag und später nach England, wo er die Kriegsjahre verbrachte. In dieser Zeit kam er durch eine Reihe von Ausstellungen in den USA dort zu einigem Ansehen. Als er nach dem Krieg wieder reisen konnte, musste er in den USA feststellen, dass er an Anschluss verloren hatte und inzwischen als eine Art Klassiker galt.

In den Nachkriegsjahren, die vom Kalten Krieg bestimmt waren, wurde figurative Kunst in die Nähe des Faschismus gerückt, während die Abstraktion aus Ausdruck der neuen Zeit galt. Kokoschka reagierte sehr unwirsch. Er erklärte Picasso zu einem seiner Feindbilder und qualifizierte den amerikanischen Expressionismus bei jeder Gelegenheit ab.

Mit dieser Haltung gründete er in Salzburg seine "Schule des Sehens". Er verstand Pädagogik von jeher als etwas Ganzheitliches und wollte daher kein Kunstlehrer der üblichen Sorte sein. Akademismus lehnte er ab. Mit diesem Ansatz wird Kokoschka nicht mehr bloß als jemand gesehen, der in seinen jüngeren Jahren zur Anvantgarde gehört hatte, später jedoch allen Veränderungen mit Unverständnis gegenüberstand. Vielmehr rückt ihn seine pädagogische Arbeit in die Nähe von Joseph Beuys, der postuliert hatte, dass jeder ein Künstler sei.

Kokoschkas künstlerische Arbeit in Salzburg

Die Ausstellung in der Salzburger Residenzgalerie dokumentiert anhand von Briefen und vielen anderen Belegen aus dem Welz-Archiv die Entstehung der "Schule des Sehens". Im Stadtteil Parsch sollte ein großes Objekt dafür adaptiert werden, doch daraus wurde nichts. Der bedeutende Fotograf Erich Lessing begleitete die ersten Jahre der Sommerakademie, seine Aufnahmen, die zeigen, wie Kokoschka von den Studierenden vergöttert wurde, sprechen eine lebendige Sprache. Ein vom ORF neu zusammengestellter Film über Kokoschkas Lehrtätigkeit ist ebenfalls ein wichtiger Beitrag.

Vor allem aber ist in der Ausstellung zu sehen, wie künstlerisch produktiv Kokoschka in seiner Salzburger Zeit gewesen ist. Aus dem Jahr 1950 stammt seine Salzburg-Ansicht, ein Gemälde, das sich leider in einer Münchner Sammlung befindet. Die meisten Arbeiten stammen aber aus dem Besitz des Rupertinums. Die "Arbeitsgruppe 4" baute in Parsch ein Bauernhaus zu einer Kirche um. Kokoschka lieferte die Entwürfe für das Südportal. Wilhelm Furtwängler regte Kokoschka an, für die Festspiele Mozarts "Zauberflöte" auszustatten. Die Vorbereitungen dazu warfen eine Menge von Farbzeichnungen ab. Dem Papageno beispielsweise verpasste er sein eigenes Porträt.