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Entgangene Chance für das Museion

Bozen hat sich die wertvolle Sammlung Marzona entgehen lassen. Nun wandert sie nach Berlin, ärgert sich Museion-Direktor Andreas Hapkemeyer.

BOZEN. Egidio Marzona, Bielefelder mit Friauler Abstammung, hat seit den 60-er Jahren "Ideen gekauft", wie er es nennt, und eine der bedeutendsten Privatsammlungen an Konzeptkunst, Land Art, Arte Povera und Minimal Art in Europa aufgebaut. Ein Teil dieser Sammlung hätte ins Museum Moderner und Zeitgenössischer Kunst (Museion) in Bozen Einzug gehalten - wenn der Handel nicht nach zweieinhalb Jahren Ende Juni geplatzt wäre.
Die Kollektion ist jetzt auf dem Weg nach Berlin, wo sie im Hamburger Bahnhof ein neues Zuhause finden wird. Trotz stolzer 6,2 Mio. Euro "ein Geschenk", so der deutsche Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin. Die Bozner haben sich also wieder einmal etwas entgehen lassen. Die TT bat den Betroffenen, Museumsdirektor Andreas Hapkemeyer, um eine Stellungnahme.
TT: Warum hat sich Marzona nun doch für Berlin entschieden?
Andreas Hapkemeyer: Sicher nicht, weil er dort mehr für seine Sammlung bekommt. Mehr Begeisterung allerdings schon. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz kauft die ganze Sammlung um 6,2 Millionen Euro, wir hätten uns einen Teil davon um 4,1 Mio. geholt, was auf etwa dasselbe hinauskam. Marzona war vor allem genervt von dem langen Hin und Her und den Polemiken, die den bereits fertigen Vertrag unterliefen und im Nachhinein den Wert seiner Sammlung in Frage stellten.
TT: Diese Polemiken entfachte das italienische Kulturassessorat, nicht das deutsche. Warum eigentlich, da die Sammlung doch viel italienische Kunst enthält?
Hapkemeyer: Gerade das ist eigenartig, sonst wird immer der "Schnittpunkt der Kulturen" betont, und Marzona selber war auch ganz angetan von dieser Vorstellung. Wir traten auf der Basis von drei Gutachten anerkannter Experten - Lóránd Hegyi, Jean Christophe Ammann, Angela Vettese - für den Ankauf ein. Das Land legte bereits einen Vertrag vor, den Marzona nur noch unterschreiben musste. Da stimmte der italienische Kulturlandesrat plötzlich dagegen und gab seinerseits ein Gutachten in Auftrag (bei Finarte-Chef Riccardo Cibulli), das der Sammlung kurz und ohne Begründung jeden Wert abspricht. Es geht also eher um einen politischen Kontrast, weil das italienische Kulturassessorat sich an den Rand gedrängt fühlt. Die italienischen Landesräte haben schließlich den Ankauf abgelehnt, ohne eine Alternative formulieren zu können.
TT: Was ist dem Museum mit dieser Sammlung entgangen ?
Hapkemeyer: Die Marzona-Sammlung hätte unsere Bestände ausgezeichnet ergänzt. Außerdem herrscht gerade in den Werken der 60-er und 70-er Jahre die Verbindung Kunst und Sprache vor, die unsere spezielle Thematik charakterisiert. Wir hätten uns gleich als Zentrum profiliert, was diese Kunst angeht. Damit hätten wir auch ganz andere Möglichkeiten gehabt, in Zeiten, wo Leihgaben fast nur noch im Austauschverfahren zu haben sind, unsere Ausstellungsprojekte durch attraktive Angebote aufzustocken. Das ist jetzt vorbei - und das in einem Moment, wo wir im Hinblick auf den Neubau auch die Bestände auf eine neue Basis hätten stellen wollen. Aber jetzt ist alles wieder in die Ferne gerückt.
TT: Der Neubau auch?
Hapkemeyer: Das Sparprogramm zieht alles in die Länge. Inzwischen reden wir von einem Baubeginn erst im Jahr 2005 statt wie angekündigt 2003.
2002-08-26 17:14:29