De-Grancy-Ausstellung | |
Die Fotografin Christine de Grancy erzählt über die Problematik Zentralasiens, die Arroganz des Westens und über den Terrorismus. |
"Drei Reisen haben mich in den Jahren
1987 und 1989 - erstmalig von Tibet über die muslimisch-chinesische
Oasenstadt Kashgar kommend - in die Nord-West-Grenz-Provinz Pakistans
geführt", erzählt die Fotografin Christine de Grancy. Die Bilder zeigen,
wie die Menschen dieses alten, stolzen Paschtunenlandes - über so viele
Jahre, unverändert in unlösbare Probleme verstrickt - damals wie heute ihr
Leben gestalten.
Die Bilder zeigen auch, wie die Menschen dort in einer für uns
unvorstellbaren Unwirtlichkeit und geopolitisch in einer hochsensiblen
Zone überleben müssen, so die Künstlerin. Anlässlich ihres 60.
Geburtstages im vergangenen Mai widmet ihr nun die Wiener Galerie
"WestLicht" die Ausstellung "An Ort und Stelle - Pakistan Reisenotizen
1987-1989". Die Schau ist bis 4. August zu sehen. Königliches Polo Eines der Ziele der Reisen Grancys war der Shandurpass. Er liegt auf
etwa 4.000 Meter Höhe, eingebettet in das größte Bergmassiv dieser Erde,
dem Himalaya, Karakorum, Pamir und dem Hindukusch. Hier finden alle vier
Jahre legendäre Polospiele statt. Für die Region ist das ein
außergewöhnliches Ereignis. Die Mehrzahl der Spieler kommen aus den kleinen Provinzstädten Gilgit
und Chitral, das ganz nah an der Grenze zu Afghanistan liegt. In dieser
Region entdeckten die Engländer Ende des 19. Jahrhunderts das uralte
"königliche Spiel" und brachten es nach Europa. Durch die Begegnung mit
den Spielern wurden Einblicke in ihre Gesellschaft möglich. Strikter Codex Sie leben streng nach ihren Gesetzen: dem Paschtunwali. Es betont Ehre und Würde, gewehrt Asylrecht,
verlangt Gastfreundschaft - aber auch Blutrache. Sechstausend Jahre sind
die Paschtunen, tausend Jahre Muslime, seit 1947 Pakistani, getrennt von
Afghanistan. Durch sie war es auch möglich, in die von Männern abgeschirmte, von der
Öffentlichkeit ferngehaltenen Frauenwelt zu blicken. Pakistan ist umringt
von Ländern, deren Geschichte, wie die eigene, sehr alt ist. Langjährige,
furchtbare Kriege und gesellschaftspolitische Probleme zermürben das
Land. Unsensible Wohlstandskinder "Seit Jahren bewege ich mich mit meiner reportierenden Arbeit an den
Rändern unseres Wohlstandes und versuche mit Bildern zu erzählen, wie sich
das Elend dort häuft, die Verzweiflung wächst, aber auch welche
ungebrochenen Kräfte in den Menschen ruhen. Es gibt in unseren westlichen
Gesellschaften eine Fixierung auf das Sichtbare - eine Propaganda des
Bildes - vorwiegend skandalöser oder kosmetischer Art, die den Blick auf
die Wirklichkeit mit all seinen Zwischentönen oft verzerrt", erläutert
Christine de Grancy. "Uns scheint durch den Wohlstand ein Sensorium für die unsichtbaren
Ereignisse, die im Hintergrund ablaufen, abhanden gekommen zu sein, selbst
für die eigenen Belange", stellt die Fotografin fest. Terror und Wut "Der Terrorismus, so scheint mir, ist kein Angriff auf westliche
Grundwerte, sondern auf deren versteckter oder offensichtlicher
Nichteinhaltung. Er ist kein Angriff auf die Zivilisation, sondern deren
unzivilisierte Kehrseite. Die westliche Welt hat nicht länger das Recht,
für ihren Wohlstand, die Verletzung des Menschenrechtes auf Leben in den
ärmeren Ländern billigend in Kauf zu nehmen", meint de Grancy. Diese Demütigung und die Perspektivlosigkeit unzähligerer junger, vor
allem schlecht ausgebildeter Menschen sei die wesentliche Ursache für
fundamentalistische Wut und Verführbarkeit dieser Massen, so die
Fotografin. 11. September "Westliche Grundwerte verteidigt man am besten, indem man sie selbst
einhält. Der 11. September machte schlagartig klar, dass wir in einer
neuen Epoche der universellen Gefährdetheit leben, da wir es mit immer
diffuseren Feindbildern zu tun haben werden. Dieses Datum war mir Anlass,
zu meinem 60. Geburtstag gerade diese Bilder auszustellen, da ich mich dem
Kulturkreis des Islam, dem Europa viel zu verdanken hat, verbunden fühle.
Die Welt des Islam, einst groß und auch gefürchtet, fühlt sich von der
technischen Übermacht und Arroganz des Westens beleidigt", erklärt de
Grancy. Westliche Dominanz "Der 11. September verdeutlicht die unvorstellbare Kluft, die zwischen
Ost und West, zwischen Nord und Süd und zwischen arm und reich entstanden
ist. Amerika gibt - um ein Beispiel zu nennen - für den Wiederaufbau
Afghanistans aus, was es zur Zeit für zehn Tage Kriegsführung für diese
Region ausgibt. 'So tragen wir den Glanz der Väter und den Schatz des
Goldes durch den nächtlichen Terror der Ängste', meint Albert Camus ins
seinem Buch Caligula. Unser Blick auf die Welt, lässt hochmütig und
ungeduldig andere Welten kaum mehr zu", schildert de Grancy. Die Globalisierung, eine gnadenlose und ebenfalls fundamentalistische
Energie des Westens, sei der Versuch, die Welt einfältig, einzig nach
ihren vorrangig ökonomischen Vorstellungen zu gestalten und Vielfalt zu
zerstören. Wir selbst säßen am Grunde des Brunnens und meinten, dass der
Ausschnitt, den wir vom Himmel sehen, der ganze sei, so de Grancy. Sufi-Schluss "Ich möchte mit einem Gedanken des großen sufischen Mystikers
Jalaluddin Rumi abschließen und hinweisen, was allen geglückten
Beziehungen innewohnt. Ein Mann kam zur Tür seiner Geliebten und klopfte:
'Wer ist da?' fragte eine Stimme. 'Ich bin es', antwortete er. 'Hier ist
nicht genug Platz für mich und dich', sagte sie. Und die Tür blieb
verschlossen. Nach einem Jahr der Einsamkeit und Entbehrung kam der Mann
wieder und klopfte. 'Wer ist da', fragte von drinnen die Stimme. 'Du bist
es', sagte der Mann - und die Tür wurde geöffnet", schließt Christine de
Grancy. Goldenes Verdienstzeichen Montagabend wurde Christine de Grancy mit dem Goldenen Verdienstzeichen
des Landes Wien ausgezeichnet. Der Wiener Kulturstadtrat Andreas
Mailath-Pokorny (S) verlieh de Grancy die Auszeichnung als Überraschung im
Rahmen der Eröffnung ihrer Ausstellung "An Ort und Stelle - Pakistan
Reisenotizen 1987-1989", die der Künstlerin aus Anlass ihres 60.
Geburtstags in der Wiener Fotogalerie WestLicht gewidmet ist. Mailath-Pokorny würdigte de Grancy, die zu den international
bekanntesten Vertreterinnen der österreichischen Fotokunst zählt, als
"Ethnologin mit der Kamera", deren Arbeiten "von einer ganz großen
Menschlichkeit" zeugten: "Sie ergreift Partei für die Menschen, die sie
abbildet", so der Kulturstadtrat. Das Wichtigste in ihren Arbeiten sei
ihr, Verbindungen herzustellen, bestätigte de Grancy, die ihre Motive
vorwiegend auf ausgedehnten Reisen in fremde Kulturen findet, "dass wir
einander balancieren lernen, gerade wo wir so verschieden sind". Arbeiten für "Stern" und "Vogue" Christine de Grancy, am 18. Mai 1942 in der tschechischen Stadt Brünn
(Brno) geboren und in Graz aufgewachsen, arbeitet u.a. für Magazine wie
den "Stern" oder die "Vogue", hat eine Reihe von Büchern veröffentlicht,
u.a. mit Andre Heller, und war in zahlreichen internationalen
Ausstellungen vertreten. Tipp: "An Ort und Stelle - Pakistan Reisenotizen 1987-1989", Fotoausstellung
anlässlich des 60. Geburtstags von Christine de Grancy, Galerie WestLicht, 11.
Juni bis 4. August, Informationen: 01/522 66 36-0. | ||||
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