Kultur

Chinas Gegenwart im Blick

21.07.2007 | SN
Das Salzburger Museum der Moderne gibt auf dem Mönchsberg einen Überblick über chinesische Kunst der letzten drei Jahrzehnte aus der Sammlung Sigg. HEDWIG KAINBERGER

Hedwig Kainberger Interview Seit China für Investoren wie für Kunstkäufer als "Boomland" gilt, wächst das Interesse an zeitgenössischer Kunst, wie sie der Schweizer Uli Sigg sammelt. Bisher war seine Sammlung u. a. in Bern und Hamburg ausgestellt, zuletzt in Rio, wo fast 500.000 Besucher sie sahen.

Für die Salzburger Ausstellung im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg haben Museumsdirektor Toni Stooss und Kuratorin Eleonora Louis 300 Werke ausgewählt: von Bildern aus der Kulturrevolution und Exponaten der ersten großen Ausstellung zeitgenössischer Kunst in Peking 1989, die kurz vor dem Massaker auf dem Tian'anmen-Platz von der Zensur gesperrt wurde, bis hin zu Bildern von Xie Nanxing, der heuer an der Sommerakademie für Bildende Kunst unterrichtet. Zudem sind die Werke in Themenblöcken geordnet. So ist zu sehen, wie heutige Künstler die ikonenhaften Bilder Maos verarbeiten, wie sie mit uralten Traditionen der Kalligrafie oder Landschaftsmalerei umgehen.

Vor Eröffnung heute, Samstag, baten die SN den Sammler Uli Sigg, Vizepräsident des Verwaltungsrats der Ringier-Gruppe, zum Gespräch.

Sie kennen China gut, zunächst weil Sie dort für den Schindler-Konzern Jointventures gemacht haben, waren Sie von 1995 bis 1998 dort Schweizer Botschafter. Wie sind Sie auf die dortige Kunst gekommen?

Sigg: Ich war seit meiner Jugend an zeitgenössischer Kunst interessiert, ich habe westliche Kunst gesammelt. Als ich Ende der 70er Jahre nach China kam, war es nur natürlich, dass ich mich in meiner neuen Umgebung umgesehen und die zeitgenössische Kunst gesucht habe. Aber was ich dort gefunden habe, war zunächst nicht interessant.

1979 war erst der Beginn der Politik der offenen Tür, in der Wirtschaft wie in der Kultur. Da haben die Künstler erst begonnen, nicht mehr nur sozialistischen Realismus zu produzieren. Weil sie nicht die Ausbildung der Westkünstler hatten, die an Hochschulen die historische Stile kennen gelernt hatten, haben sie zunächst allerlei durchprobiert, einige malten wie Expressionisten, andere wie Impressionisten. Das war nicht so interessant für jemanden, der das Vorderste der zeitgenössischen Kunst sammelt.

"Ich verbringe viele Stunden mit der Kunst." Wann wurde es interessanter?

Sigg: Es hat einige Jahre gedauert, bis die Künstler eine eigene Sprache gefunden haben. Das war so ab Mitte der 80er Jahre. Das ist in dieser Ausstellung gut abzulesen.

Haben Sie damals gekauft?

Sigg: Nein, eigentlich habe ich erst in den 90er Jahren gesammelt. Da habe ich erkannt, dass weder Institutionen noch Private, weder Chinesen noch Ausländer diese Kunst sammelten, obwohl es der größte kulturelle Raum der Welt ist. So habe ich beschlossen, eine Dokumentation über Chinas Gegenwartskunst aufzubauen.

Haben Sie dafür zu Hause Platz?

Sigg: Nein, leider brauche ich ein eigenes Depot. Ich habe aus China etwa 1600 Arbeiten, viele Werke sind viel zu groß für mein Haus. Und chinesische Künstler arbeiten immer größer. Wer hat schon Türstöcke und Wände für solche Formate?

Ich tausche die Werke in meinem Haus oft aus. Und für mich ist eine solche Ausstellung interessant, um die Werke in großen Zusammenhängen zu sehen. Ich bin einige Tage in Salzburg, um ein bisschen zu helfen. Aber eigentlich verbringe ich viele Stunden mit der Kunst.

Warum der Titel Mahjong?

Sigg: Mahjong ist ein chinesisches Brettspiel, das reicht bis in die Ming-Dynastie zurück, heute spielt man es über Internet. In diesem Sinne ist es ein Blick weit zurück und zugleich ins digitale Zeitalter.

Es ist ein Spiel, in dem 144 Steine kombiniert werden. So verstehe ich auch die Sammlung: als Material, das man beliebig zusammensetzen kann, zum Beispiel so, wie es die Salzburger Kuratoren machen. Man kann auch andere Gedanken aufnehmen, andere Fäden spinnen. Auch in diesem Sinne ist die Ausstellung eine Analogie auf das Spiel.

Bilder Mao Zedongs werden zu politischer Popart verarbeitet. Welche Zeit umspannt Ihre Sammlung, was ist das älteste Werk?

Sigg: Je nachdem, wie man es anschaut. Die ältesten Stücke sind in der Installation von Ai Wei Wei, das sind 108 Vasen aus der Zeit von 1500 bis 2500 vor Christus. Die ist unglaublich kühn. Etwa ein Viertel dieser Vasen ist mit weißer Industriefarbe übertüncht und zerstört. Da prallt die uralte chinesische Tradition mit der neuen Industriewelt zusammen. Die Installation selbst ist allerdings aus 2003.

Die ältesten Arbeiten sind Bilder und Plakate aus den 60er und 70er Jahren. Diese Bilder des sozialistischen Realismus sind eigentlich nicht zeitgenössische Kunst, aber sie hängen hier, weil sie eine Ressource sind für die Gegenwartskünstler. All die Themen darin werden später abgearbeitet.

Welche Themen haben Künstler daraus übernommen?

Sigg: Zum Beispiel diese Bilder zu Mao, dafür gibt es einen eigenen Raum. Aber auch viele Helden, die da abgebildet sind, scheinen wieder auf - wenngleich als politische Popart, sie werden überhöht, ironisiert, verzerrt oder niedergemacht.

Was ist das neueste Kunstwerk?

Sigg: Es ist ein riesiges Bild mit vielen Kinderköpfen vor einem Hintergrund von Blau bis Bleich. Das Bild ist heuer fertig geworden. Es hängt im Stiegenhaus mit anderen Bildern, in denen die Suche von Menschen nach Werten, nach Spirituellem zu erkennen ist. China ist im Kommunismus und nun im Kapitalismus eine Gesellschaft ohne Werte geworden. Der Materialismus hat das ja alles weggeputzt.

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